Liebe Leser:innen,

Der Vorstand ab 1. November 2023: Heike Vesper, Selvi Naidu, Meike Rothschädl, Kathrin Samson, Jan Peter Schemmel (v.l.n.r.) © Kathrin Tschirner / WWF
Der Vorstand ab 1. November 2023: Heike Vesper, Selvi Naidu, Meike Rothschädl, Kathrin Samson, Jan Peter Schemmel (v.l.n.r.) © Kathrin Tschirner / WWF

es gibt Momente, die uns zuversichtlich in die Zukunft blicken lassen. Anlass gab zuletzt der Ausgang der UN-Klimakonferenz in Dubai mit der Entscheidung zur Abkehr von fossilen Energieträgern. Dieser Abschluss stand lange auf wackligen Beinen, genauso wie die Finanzierung der Klimapolitik. Dennoch zeigt uns der eingeschlagene Weg, dass Wandel grundsätzlich möglich ist.

Zu dieser Überzeugung passen zwei vorausgegangene Verhandlungsabschlüsse der Völkergemeinschaft. Da ist zum einen die UN-Biodiversitätskonvention, die mit einer Art „Weltnaturvertrag“ bis 2030 mindestens 30 Prozent der Erdoberfläche unter Schutz stellen will. Kurz darauf verständigten sich die Staaten auf einen Vertragstext zum Schutz der Hohen See. Damit ist die Chance greifbar nah, mehr als zwei Drittel der Weltmeere unter Schutz zu stellen. Rund ein Jahr zuvor hatten die UN-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen, die Verunreinigung der Meere mit Plastik zu stoppen. Diese Entwicklung hat viele Mütter und Väter. Zu denen darf sich auch der WWF zählen. Der vorliegende Jahresbericht stellt in schöner Tradition dafür einige Belege zusammen.

Kein Licht ohne Schatten – und der ist eine Folge des Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt. Der WWF Deutschland hat seine langjährige Arbeit in Russland einstellen müssen. Damit ist eine regelrechte Erfolgsgeschichte zu Ende gegangen. In deren Verlauf wurden Millionen Hektar einzigartiger Natur unter Schutz gestellt, wurden Europäische Bisons und Persische Leoparden wieder ausgewildert. Unglaublich engagierte Mitarbeiter:innen hatten ihren Anteil daran, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Zahl der Amur-Tiger im russischen Fernen Osten von rund 470 auf 750 Tiere gestiegen ist.

Was Kooperation bewirken kann, zeigt Unganisha, unser Naturschutzgroßprojekt in Afrika. In der Grenzregion zwischen Tansania und Kenia ziehen viele Partner an einem gemeinsamen Strang, um Schutzgebiete über Wildtierkorridore zu verbinden und in eine Matrix intakter, nachhaltig genutzter und wiederhergestellter Ökosysteme einzubetten. Davon profitieren auch die dort lebenden Menschen. Mehr als fünf Millionen Euro flossen im vergangenen Finanzjahr in dieses Programm.

Der WWF Deutschland will noch mehr bewirken. In Übereinstimmung mit unserem internationalen Netzwerk haben wir uns dafür drei Hauptziele gesetzt: den Erhalt und die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume, die Halbierung unseres CO2-Fußabdrucks und den Stopp des Artenverlusts.

Wir sind nicht nur überzeugt davon, dass positiver Wandel möglich ist, wir fordern und befördern ihn in unserer Arbeit. Ein neuer, gleichberechtigter Vorstand stellt hierfür die Weichen. Ziel ist es, unsere Wirksamkeit in allen Bereichen zu verstärken. Gerne mit Ihnen als Partner:innen, Unterstützer:innen oder einfach als engagierte, an unserer Themenwelt interessierte Bürger:innen.

Verändern wir doch gemeinsam, was verändert werden muss, damit bestehen bleiben kann, was für das Wohl eines lebendigen Planeten bestehen bleiben muss.

WWF-Leitung Unterschriften © WWF

Inhalt

Zahlen & Fakten 2022/2023

Luftaufnahme vom Ural-Gebirge in Russland © Imago / Russian Look
Luftaufnahme vom Ural-Gebirge in Russland © Imago / Russian Look

1 - Russland

Ende einer Erfolgsgeschichte

Die Zeichen waren unübersehbar. Seit Jahren schon wurde die Arbeit in Russland für unabhängige Medien und Organisationen immer schwerer, nun traf es auch den WWF. Im März 2023 wurde der WWF Russland von der dortigen Regierung auf die Liste „ausländischer Agenten“ gesetzt. Im Juni folgte die Erklärung zur „unerwünschten Organisation“ durch die Generalstaatsanwaltschaft Russlands. Der WWF war damit auf dem Territorium der russischen Föderation faktisch verboten. Zum Schutz ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter musste der WWF die Verbindungen zum langjährigen Netzwerkpartner kappen. Damit endete eine über 30 Jahre währende Erfolgsgeschichte, die es verdient hat, gewürdigt zu werden. Hier ein Blitzlicht auf Regionen, in denen der WWF Spuren hinterlassen hat.

Wisente im Nationalpark Shadag in der Kaukasus-Region © Emil Khalilov / WWF
Wisente im Nationalpark Shadag in der Kaukasus-Region © Emil Khalilov / WWF
  • Amur-Region: Im Amurbecken hat der WWF geholfen, eine außergewöhnliche Artenvielfalt in den Laubmischwäldern zu erhalten – etwa durch die Ausweisung des Bikin-Nationalparks, dem größten Schutzgebiet in der temperierten Mischwaldzone Eurasiens und seit 2018 UNESCO-Weltnaturerbe. Ohne den WWF wäre daraus womöglich ein Wirtschaftswald geworden, zum Leidwesen der indigenen Udege und Nanai sowie der Amur-Tiger. In den vergangenen drei Jahrzehnten ist ihre Zahl im fernen Osten Russlands von rund 470 auf 750 Tiere angewachsen. 
  • Kamtschatka: Kamtschatka – eine Halbinsel berühmt für ihre aktiven Vulkane, Lachsschwärme und großen Braunbären. Im Sommer 2000 wurde als Dank für die Arbeit des WWF auf Kamtschatka ein fast 2.000 Meter hoher Berg offiziell auf den Namen WWF getauft. Der WWF hatte auf der Halbinsel ein Netzwerk von sechs Schutzgebieten zur Ausweisung als UNESCO-Weltnaturerbe vorbereitet.
  • Russischer Kaukasus: Mit dem Abschuss des letzten Wisents 1927 galt diese Art im Kaukasus als ausgestorben. Seit 2010 machte sich der WWF um deren erfolgreiche Wiederansiedlung im Kaukasus verdient. Heute leben im russischen Kaukasus wieder rund 180 dieser Wildrinder. 
Junge Zitronenhaie in den Gewässern vor den Bahamas © Cultura Creative Ltd / Alamy Stock Photo
Junge Zitronenhaie in den Gewässern vor den Bahamas © Cultura Creative Ltd / Alamy Stock Photo

2 - Haie und Rochen

Atempause für gejagte Jäger

Die Geschichte der Haie und Rochen begann vor etwa 450 Millionen Jahren – ihre Zukunft jedoch ist ungewiss. Heute gelten 37 Prozent der über 1.200 Arten als gefährdet, jährlich werden bis zu 100 Millionen Haie und Rochen getötet. Zudem schwinden ihre Lebensräume wie Mangroven oder Korallenriffe, denen die Klimakrise zu schaffen macht.

Besonders schlecht geht es den Haien und Rochen im Mittelmeer, wo mehr als die Hälfte der über 80 Arten bedroht ist. Der Hauptgrund: Überfischung. Oft werden die Tiere schneller gefischt, als sie sich fortpflanzen können. Zusammen mit dem Elasmo Project, der James Cook University und der Wildlife Conservation Society hat der WWF eine Art Notfallkonzept zur Erholung der Populationen ins Leben gerufen: die Shark and Ray Recovery Initiative (SARRI).

Gemeinsam mit betroffenen Küstengemeinden wollen wir in den verbliebenen Rückzugsgebieten sichere Schutzzonen etablieren. Dafür braucht es die Mitwirkung der lokalen Fischer:innen. Durch Überfischung nehmen sie sich langfristig ihre Lebensgrundlage, sehen aber dazu kurzfristig keine Alternative. Die SARRI-Initiative will ihnen neue Einkommensquellen ermöglichen, etwa mit Jobs im Ökotourismus. Gleichzeitig soll die Fischerei zurückgefahren werden – damit sich die Bestände wieder erholen können.

„Bei diesem neuen Ansatz im Hai- und Rochenschutz steht die Erholung im Vordergrund. Wir möchten die Populationen der am stärksten gefährdeten Arten wieder aktiv aufbauen, statt nur ihre Restbestände zu schützen.“

Heike Zidowitz, WWF-Senior-Referentin Mariner Artenschutz

Großer Ruaha in Tansania © Theresa Schiller / WWF
Großer Ruaha in Tansania © Theresa Schiller / WWF

3 - Wasser

Ohne Wasser läuft nichts

Endlich und so ausdrücklich wie nie zuvor hat sich die Staatengemeinschaft auf das Ziel verständigt, Süßwasserökosysteme wie etwa Flüsse und Seen zu schützen und wiederherzustellen. So steht es im neuen Weltnaturschutzabkommen.

Amazonas Flussdelfin © naturepl.com / Todd Pusser / WWF
Amazonas Flussdelfin © naturepl.com / Todd Pusser / WWF

Im Vorfeld hatte der WWF im Partnerverbund seine Erwartungen mit der Forderung konkretisiert, bis 2030 weltweit 300.000 Flusskilometer und 350 Millionen Hektar Feuchtgebiete zu revitalisieren. Das entspricht dem 30-Prozent-Renaturierungsziel des Weltnaturschutzabkommens. Utopie? Im Gegenteil! Im März 2023 rief auf der UN-Wasserkonferenz eine Staatenkoalition die „Freshwater Challenge“ ins Leben, die sich genau diese Ziele zu eigen macht. Nun müssen sich möglichst viele Staaten dieser Herausforderung stellen. Darauf wird der WWF mit seinem internationalen Netzwerk hinwirken – auch vor der eigenen Tür.

Die im März verabschiedete Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung konzentriert sich auf die Stärkung eines naturnahen Landschaftswasserhaushalts. Damit ist ein Kernanliegen des WWF in einer Strategie der Bundesregierung verankert. Auf ihre zügige Umsetzung werden wir allen Nachdruck legen.

„Gesunde Flüsse sind Lebensadern. Sie versorgen uns mit Wasser, schützen uns vor Überschwemmungen und bieten Tieren und Pflanzen Lebensräume. Im Sinne der Daseinsvorsorge muss ihr Schutz oberste Priorität genießen.“

Theresa Schiller, WWF-Referentin Internationale Wasserressourcen

Kenia hat ein artenreiches Ökosystem © Greg Armfield / WWF UK
Kenia hat ein artenreiches Ökosystem © Greg Armfield / WWF UK

4 - Unganisha

Wenn sich die Natur den Lebensraum zurückerobert

Selbst für erfahrene Naturschützer:innen ist das Tempo immer wieder verblüffend: Kaum sind Zäune, Viehherden und Holzkohlemeiler entfernt, übernimmt die Natur das Geschehen. Schon nach der zweiten, dritten Regenzeit bedecken Gras und junge Bäume die lange geschundene Landschaft der Siana. Und aus dem nahen Mara-Reservat kehren Giraffen und Elefanten, Antilopen und Zebras zurück in ihren ursprünglichen Lebensraum. Zu verdanken ist die wundersame Verwandlung einer Idee, die sich als zukunftsweisend erwiesen hat, um Menschen und Natur zu befrieden: die Einrichtung von Conservancies.

Giraffen im Projektgebiet Unganisha © Peter Komole
Giraffen im Projektgebiet Unganisha © Peter Komole

Kaum zu glauben, wie das heutige Siana-Schutzgebiet noch vor wenigen Jahren ausgesehen hat. Überweidung, Holzkohlegewinnung und Besiedlung hatten die Landschaft verwüstet, die meisten Wildtiere waren geflohen. Doch die Einheimischen waren mit Unterstützung des WWF bereit, das zu ändern. Inzwischen sind weit über 2.000 lokale Landbesitzer:innen der „Siana-Conservancy“ beigetreten. Conservancies sind selbstverwaltete Gemeindeschutzgebiete, bei denen das Land im Eigentum einzelner Familien bleibt, aber wie bei einer Kooperative gemeinsam verwaltet und ausschließlich nachhaltig genutzt wird. Zäune, Gebäude und Zivilisationsmüll werden, teils gegen Ausgleichszahlung, aber immer mit Einverständnis der freiwillig beigetretenen Eigner:innen, entfernt. Sie erhalten jedes Jahr eine feste Pacht. Diese zahlt am Anfang der WWF. Er übernimmt auch die Kosten für die Renaturierung, für die Gemeinde-Ranger:innen aus den Dörfern und für eine Vielzahl von Maßnahmen, die das Leben der Menschen vor Ort verbessern.

Inzwischen lassen sich selbst seltene Arten wie Gepard oder Wildhund in der Siana wieder beobachten. Das macht die Region für den Ökotourismus interessant. Naturtourismus beschert den Einheimischen mehr Einkommen, als es ein überweidetes Land je ermöglicht hätte. Immer mehr Landbesitzer:innen wollen mitmachen – denn die Menschen schützen, wovon sie Nutzen haben.

„Unganisha ist wie ein großes Versuchslabor für den Naturschutz. Schaffen wir es hier, die Natur großflächig zu erhalten, verfügen wir über ein wunderbares Modell für all die traumhaften Naturlandschaften Afrikas. Was ist schließlich überzeugender als ein funktionierendes Beispiel?“

Johannes Kirchgatter, WWF Senior Officer Africa

WWF-Mitarbeiter in der WWF-Projektregion Khaar Us Nuur National Park, Mongolei © Thorsten Milse / WWF
WWF-Mitarbeiter in der WWF-Projektregion Khaar Us Nuur National Park, Mongolei © Thorsten Milse / WWF

5 - Naturschutz und Menschenrechte

Verantwortung für Mensch und Natur

Die Mission des WWF Deutschlands ist es, eine Welt zu gestalten, in der Mensch und Natur im Einklang miteinander leben. In einer Grundsatzerklärung hat sich der WWF Deutschland 2019 zur menschenrechtlichen Sorgfalt verpflichtet. Seitdem haben wir eine Vielzahl strukturierter Maßnahmen ergriffen, um das Risiko von Menschenrechtsverletzungen in unserer Arbeit zu reduzieren und Menschenrechte aktiv zu fördern.

WWF-Mitarbeiter im Gespräch mit einem Landeigentümer in der Masai Mara © WWF Kenya
WWF-Mitarbeiter im Gespräch mit einem Landeigentümer in der Masai Mara © WWF Kenya

Der Erfolg dieser Maßnahmen muss auch 2023 vor dem Hintergrund großer externer Herausforderungen bewertet werden. Hervorzuheben sind die mancherorts schwachen rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen, unter denen wir unsere Projekte realisieren, die Restriktionen, denen sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Engagements in vielen Ländern gegenüber sehen und das weltweit hohe Risiko, dem sich Aktivist:innen beim Schutz von Umwelt und Menschenrechten aussetzen. Darüber hinaus betrifft uns die Zuspitzung weltweiter Konflikte und Krisen, wie zum Beispiel in der Ukraine oder in Myanmar. Trotz dieser externen Herausforderungen gelangen unserer Organisation 2023 erneut Fortschritte in der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten.

Weiterentwicklung des Environmental Social Safeguards Framework (ESSF)

2019 hat das WWF-Netzwerk das vorläufige Environmental Social Safeguards Framework eingeführt, zum Management, zur Abwendung, zumindest zur Verminderung unbeabsichtigter sozialer und ökologischer Risiken in unseren Projekten.

Verabschiedung der Statements of Principle (SoP)

Die Grundsatzerklärungen zu den Themen Menschenrechte, Gleichstellung der Geschlechter und Rechte indigener Völker verankern unsere Grundhaltung zu diesen Themen in verbindlichen Standards. Ihre Verabschiedung im Jahr 2023 ist ein Meilenstein.

Ausbau von Befähigung

Auch im Jahr 2023 lag ein wesentlicher Fokus auf dem Auf- und Ausbau von Wissen und Fähigkeiten bei Mitarbeitenden und Partner:innen. Sowohl in Deutschland als auch im Netzwerk schulte der WWF Deutschland zum Thema ESSF. Unterrichtet wurden Projektleiter:innen in der Anwendung des ESSF. Organisiert wurde überdies eine „Training of Trainers“- Schulung für ESSF-Expert:innen in Europa.

Aktivist:innen auf dem Free Land Camp 2023 © Edgar Kanayako / WWF Brazil
Aktivist:innen auf dem Free Land Camp 2023 © Edgar Kanayako / WWF Brazil

6 - Regenwald Brasilien

Schulterschluss im Regenwald

Wird Amazonasregenwald gerodet oder verbrannt, verliert die Erde nicht nur kostbarsten Artenreichtum. Dann verlieren Menschen auch ihre Heimat. 180 indigene Völker leben im brasilianischen Teil des Amazonasregenwaldes. Ihr reiches Kulturerbe aus 120 verschiedenen Sprachen ist eng mit dem Regenwald verknüpft – und bedroht. Wald weicht expansiver Landwirtschaft, illegales Goldschürfen vergiftet das Süßwasser, Straßen zerschneiden dichte Waldvegetation. Vor dieser Kulisse hat der WWF in Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen sein größtes Projekt in Südamerika gestartet. Das Ziel: Die Indigenen in ihrem Kampf gegen Eindringlinge und Entwaldung zu unterstützen.

Zerstörung durch Bergbau in Rondonia, Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF UK
Zerstörung durch Bergbau in Rondonia, Brasilien © Marizilda Cruppe / WWF UK

Der WWF stellt Kommunikationsmittel und Überwachungstechnologie wie Kameradrohnen bereit und schult die Indigenen als Ranger:innen. Die Technik hilft, Eindringlinge fernzuhalten und sorgt für gerichtsverwertbare Beweise. Der Einsatz ist über die Maßen erfolgreich: In den stark bedrohten Territorien in Rondônia und Acre ging die Entwaldung 2022 um über 60 Prozent zurück, verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 2016–2020.

Im Zentrum des Projekts steht auch die Gesundheit der indigenen Bevölkerung. Eindringlinge setzen zur Goldsuche in den Flüssen Quecksilber ein. Das vergiftet die Flüsse, Fische und schließlich die Menschen. Der WWF untersucht die Gewässer auf Quecksilberbelastung und klärt über Ursachen und Folgen einer Vergiftung auf. Den davon besonders betroffenen Gemeinden wurden Wasserversorgungssysteme installiert. Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen erhalten zudem Schulungen, um gegen den illegalen Goldabbau vorzugehen.

Indigene Gemeinschaften verstehen sich auf nachhaltige Ressourcennutzung. Sie dabei zu unterstützen, dass daraus Einkommensquellen erwachsen, hat sich das Projekt ebenso zum Ziel gesetzt. Mit Schulungen, Zertifizierungen und Unterstützung bei der Erschließung neuer Märkte – etwa dem Verkauf von Paranüssen – will das Projektteam die Gemeinden wirtschaftlich stabilisieren, ohne die biologische und kulturelle Vielfalt zu gefährden.

„In Brasilien haben indigene Gebiete in den vergangenen 30 Jahren nur 1 Prozent ihrer ursprünglichen Vegetation verloren; Gebiete in Privatbesitz hingegen über 20 Prozent. Indigene Völker sind daher wichtige Verbündete, die all unsere Unterstützung verdienen.“

Dr. Konstantin Ochs, WWF-Projekmanager Südamerika

Klimastreik am 15. September 2023 © Jörg Farys / WWF
Klimastreik am 15. September 2023 © Jörg Farys / WWF

7 - Klimaschutz

Vom Fördern und Fordern

Deutschland blieb im Winter 2022/2023 warm. Weder in den Wohnzimmern noch in den Industrien Deutschlands gingen die Öfen aus, als die fossilen Energieimporte aus Russland zurückgefahren wurden. Geblieben ist unsere Abhängigkeit von fossilen Energien. Dabei ist die Emanzipation von Kohle, Öl und Gas der Schlüssel zum Klimaschutz.

Industrielle Emissionen © Rob Webster / WWF
Industrielle Emissionen © Rob Webster / WWF

Im Auftrag des WWF hat sich das Ökoinstitut den Sektor mit den zweithöchsten Emissionen des Landes angeschaut und identifizierte die sogenannten „Dirty 30“. Angeführt von Betrieben der Eisen- und Stahlerzeugung sind das die 30 CO2-intensivsten Industrieanlagen Deutschlands, die 2022 rund acht Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen freigesetzt haben. Wir verlangten als Reaktion auf die Analyseergebnisse eine Strategie zum Klimaschutz in der Industrie, die Planungs- und Investitionssicherheit schafft. Zugleich sollten die Unternehmen für die von ihnen ausgestoßenen Emissionen zahlen.

„Der Staat hat den Unternehmen in der Energiekrise geholfen – dem Klima aber nicht. Im Gegenteil.“ So resümierte der WWF eine weitere Untersuchung. Die spürte den Effekten der Entlastungspakete nach, die der heimischen Industrie zuteil wurden, um die Preissteigerungen infolge des Ukrainekriegs aufzufangen. Der Klimaschutz und der notwendige Umbau der Industrie seien dabei leer ausgegangen. Es sei grundsätzlich versäumt worden, Hilfen zugunsten der Industrieunternehmen an Gegenleistungen zu knüpfen, etwa an ehrgeizige CO2-Reduktionspläne oder Effizienzmaßnahmen. Wir forderten, dass die Prüfung staatlicher Ausgaben auf ihre Klima- und Umweltauswirkungen endlich zum Standard werden müsse.

Mit einem 10-seitigen, eng bedruckten „Erwartungspapier“ reiste der WWF Ende 2022 zur UN-Weltklimakonferenz nach Sharm el-Sheikh. Die Teilnehmerstaaten standen unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine und der fossilen Energiekrise, auf die einige Länder nur eine Antwort fanden: die Rückkehr zu fossilen Energien wie Kohle und Öl. Die Vertragsstaaten einigten sich zwar auf die Schaffung eines Ausgleichsfonds zur Finanzierung klimabedingter Schäden und Verluste. Vom schrittweisen Ausstieg aus fossiler Energie war im Abschlusstext der Konferenz aber keine Rede mehr.

„Die ,Dirty Thirtyʻ haben gezeigt, dass die Industrieanlagen in Deutschland noch zu schmutzig sind und zu viel CO2 in die Luft jagen. Jetzt geht es darum, die Vision einer klimafreundlichen Industrie in die Tat umzusetzen.“

Lisa-Maria Okken, WWF Policy Advisor Climate and Energy

Eine echte Kreislaufwirtschaft ist möglich © Imago / NurPhoto
Eine echte Kreislaufwirtschaft ist möglich © Imago / NurPhoto

8 - Circular Economy

Der Kreis schließt sich

Die Circular Economy ist ein regeneratives System angetrieben durch erneuerbare Energien, das unser derzeitiges Industriemodell „nehmen – herstellen – entsorgen“ ersetzt. Materialien werden in der Wirtschaft gehalten, Produkte gemeinsam genutzt, Abfälle vermieden. Das hat positive Effekte auf Umwelt und Gesellschaft.

Der WWF hat einen Fahrplan in Richtung Circular Economy vorgelegt. Die wichtigste Erkenntnis: Eine echte Kreislaufwirtschaft ist möglich. Ihr gesamtgesellschaftlicher Nutzen ist ungleich höher als die Kosten fürs Festhalten an einer Wirtschaftsweise, die uns in die ökologische Sackgasse führt. Das „Modell Deutschland Circular Economy“ (MDCE) berechnet die Effekte kreislaufwirtschaftlicher Maßnahmen auf Treibhausgasemissionen, Rohstoffinanspruchnahme, Biodiversität und Versorgungssicherheit in acht Wirtschaftssektoren. Insgesamt lassen sich 26 Prozent Treibhausgase gegenüber einem „Weiter-so-wie-bisher“ vermeiden. Ein Bündel von nur fünf der 63 Maßnahmen spart fast 84 Prozent und hätte enormen Hebeleffekt. Damit bekäme die Energiewende Rückenwind. Ferner würde das Modell einen Rückgang des Rohstoffkonsums um 27 Prozent bewirken.

Nun ist die Politik am Zug. Damit die Circular Economy zum Erfolg wird, brauchen wir steuerliche Anreize für zirkuläres Wirtschaften, eine ambitionierte Produktpolitik und konsequente Herstellerverantwortung. Zudem fordern wir, dass dem Klimaschutzgesetz ein Ressourcenschutzgesetz mit absoluten Ressourcenschutzzielen hinzugefügt wird.

„Die Circular Economy stärkt langfristig den Wirtschaftsstandort Deutschland und ist der tragende Baustein für das Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen.“

Rebecca Tauer, WWF-Programmleiterin Circular Economy

Tafel auf dem WWF Aktionstag "Restlos Genießen" © Jörg Farys / WWF
Tafel auf dem WWF Aktionstag "Restlos Genießen" © Jörg Farys / WWF

9 - Lebensmittelverschwendung

restlos genießen

Prächtiges Sommerwetter sorgte für gute Laune trotz ernstem Anlass der Großveranstaltung: Der WWF lud im Verbund mit zahlreichen Unterstützer:innen zum „restlos genießen“ ein – dem Aktionstag gegen Lebensmittelverschwendung. Tausende lockte das Straßen- und Bühnenprogramm, bei dem Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Umweltschutz informierten und diskutierten, während an Ständen Kulinarisches geboten wurde. Am Abend erreichte die Veranstaltung ihren Höhepunkt. Rund 1.000 Passantinnen und Passanten waren eingeladen, an einer kolossalen Tafel Platz zu nehmen. Dort wurde ihnen ein kostenloses 3-Gänge-Menü serviert, zubereitet aus Lebensmitteln, die für die Abfalltonne bestimmt waren.

Panda und Dirk Steffens besuchen das Community Kitchen-Team auf dem WWF Aktionstag "Restlos Genießen" © Jörg Farys / WWF
Panda und Dirk Steffens besuchen das Community Kitchen-Team auf dem WWF Aktionstag "Restlos Genießen" © Jörg Farys / WWF

Schwer zu verdauen: Ein Drittel der in Deutschland produzierten Lebensmittel landet im Müll. Das ist ein Skandal gegenüber allen, die nicht genügend zu essen haben und zugleich ein Vergehen gegen Umwelt und Natur. Unmissverständlich ging daher der Appell des WWF an Politik und Wirtschaft. Von ihnen wurde eine gesetzliche Pflicht zur Halbierung der Lebensmittelabfälle bis 2030 gefordert. Unternehmen sollten sich verbindlichen Reduktionszielen entlang der Lieferketten verpflichten.

„‚restlos genießen’ hat gezeigt, wie viele sich das Ziel der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung mittlerweile auf die Fahne geschrieben haben. Teil dieser Community zu sein ist unglaublich motivierend.“

Elisa Kollenda, WWF-Referentin nachhaltige Ernährung und ökologischer Fußabdruck

Zukunft Stromsystem © GettyImages / Tobias.Barth / iStock / Getty Images Plus
Zukunft Stromsystem © GettyImages / Tobias.Barth / iStock / Getty Images Plus

10 - Unternehmensarbeit: Starke Partnerschaften für Transformation und Naturschutz

Zusammenarbeit mit Unternehmen

Warum der WWF mit Unternehmen zusammenarbeitet? Weil wir Transformation und Naturschutz zusammenbringen, um der Klima- und Biodiversitätskrise wirksam entgegenzutreten. Gemeinsam mit Unternehmen zeigt der WWF seit vielen Jahren, wie Transformation und Naturschutz ineinandergreifen.

"One Planet Business" © One Planet Business – by WWF
"One Planet Business" © One Planet Business – by WWF

Mit dem One Planet Business Framework hat der WWF ein Rahmenwerk entwickelt, das das Konzept der planetaren Grenzen in die unternehmerische Praxis überführt. Es bündelt die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden sowie anspruchsvolle Standards und Richtlinien in vier Nachhaltigkeitsdimensionen: Klima, Biodiversität, Süßwasser und Menschenrechte. Entlang des One Planet Business Frameworks berät der WWF Unternehmen dazu, wo sie in ihrer Nachhaltigkeit stehen und wie sie ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten nachhaltig transformieren.

Auch über die eigene Wertschöpfung hinaus setzen sich Unternehmen an der Seite des WWF für die Natur ein. Mit einer Spende oder einem Sponsoring tragen sie dazu bei, natürliche Lebensräume zu schützen und wiederherzustellen. Das macht Unternehmen zu einer wichtigen Säule unserer Naturschutzarbeit.

Schulungen, Events und Corporate Volunteering sind weitere Möglichkeiten für Unternehmen, um gemeinsam mit dem WWF nachhaltige Transformation voranzubringen und Verantwortung für die Natur zu übernehmen. Sie helfen dabei, Nachhaltigkeit und Naturschutz für Mitarbeitende erlebbar zu machen und persönliches Engagement zu fördern. Das Panda-Logo schließlich macht messbare Transformationsfortschritte, nachhaltigere Produkte und gute Initiativen sichtbar.

Königspinguine © naturepl.com / Wim van den Heever / WWF
Königspinguine © naturepl.com / Wim van den Heever / WWF

Der WWF in Zahlen

Auch im abgeschlossenen Geschäftsjahr ist es dem WWF Deutschland trotz erheblichen Gegenwinds aus dem Ukraine-Konflikt und den Folgen einer zunehmend signifikanten Inflation gelungen, seine Einnahmen erneut zu steigern. Im Finanzjahr 2022/2023 wurden 124,7 Mio. Euro (Vorjahr 114,0 Mio. Euro) eingenommen.

Damit konnte der WWF weiter seine Mission vorantreiben, die Natur und Umwelt in vielen Teilen der Erde zu bewahren, die politischen Rahmenbedingungen für deren Schutz zu verbessern und die Transformation der Wirtschaft voranzubringen.

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QR-Code WWF Wissen-App © WWF
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Die WWF Jahresberichte der letzten Jahre

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