Einst war Deutschland fast vollständig bewaldet. Doch höchstens zwei Prozent davon waren Nadelwälder. Der deutsche Urwald bestand zum Großteil aus Buchen. Die wasserbedürftigen Fichten wuchsen nur am Rand von Mooren und in höheren Gebirgen. „Auch Buchen leiden unter der Dürresituation. Besonders auf durchlässigen Kalkböden und an flachgründigen Hängen haben sie es schwer“, erklärt Albert Wotke vom WWF Deutschland. Betroffen vom neuen Waldsterben sind aber vor allem Bäume, die der Mensch dort gepflanzt hat, wo sie von Natur aus nicht hingehören.
Unseren Wäldern geht es schlecht. Deutschlandweit sterben in nicht gekanntem Ausmaß ganze Waldflächen ab. Grund ist vor allem die extreme Trockenheit der letzten Jahre und damit einhergehend eine größere Anfälligkeit für Schädlinge. Nie zuvor in der Erdgeschichte hat sich das Klima so schnell verändert. Quer durch Deutschland und Mitteleuropa zieht sich heute sichtbar das breite Band eines Wassermangels, der auch in feuchten Monaten kaum auszugleichen ist. Inzwischen haben Fichten, die häufigste Baumart hierzulande, unter 600 Höhenmetern kaum mehr Überlebenschancen und sind bereits großflächig abgestorben.
Sterbende Wälder, wo sie nicht hingehören
Den Wald Wald sein lassen
„Geschädigte Waldflächen, wie wir sie heute im Harz sehen, bewalden sich erstaunlich schnell wieder von selbst. Wir müssen sie nur in Ruhe lassen“, plädiert Wotke. „Das sieht nach ein paar Jahren wieder ganz toll aus und bietet einer weit größeren biologischen Vielfalt Raum, als die monotonen Fichtenwälder.“ Großflächige, gesunde und naturbelassene Wälder aus heimischen Baumarten sind außerdem das beste Mittel, um dem drohenden Klimakollaps unserer Waldbestände entgegenzuwirken.
Unsere Urwälder von morgen
Noch gehört Deutschland zu den grünsten Ländern Europas, fast ein Drittel seiner Fläche ist mit Wald bedeckt. Doch die Wälder werden fast ausnahmslos bewirtschaftet. Echten, vom Menschen nie veränderten Urwald gibt es nicht mehr. Um Wildnis wieder wachsen zu lassen, kauft der WWF Deutschland seit über 30 Jahren ökologisch wichtige Flächen auf und entzieht sie dauerhaft der Nutzung. Hier entstehen die Urwälder von morgen.
Nahezu unberührt geben die neuen, wilden Wälder seltenen Tieren und Pflanzen eine Heimat, die wir in Deutschland bereits an den Rand des Aussterbens gebracht haben. Unaufgeräumt bilden abgestorbene Pflanzen eine große Humusschicht, die zusätzlich CO2 speichert. Und undurchbrochen von Schneisen. Forstwegen und Entwässerungsgräben dienen naturbelassene Wälder und ihre von Moos und Humus bedeckten Böden als wichtige Wasserspeicher.
Wo die Urwälder von morgen schon Wirklichkeit sind
Uralte Wälder, uralte Arten
Knorrige, alte Bäume mit Astlöchern, Höhlen, Nischen und rissiger Rinde sind unersetzlicher Lebensraum für Spechte, Hirschkäfer und Baummarder. Seeadler, Kraniche und Schwarzstörche brauchen große, urwüchsige Waldflächen. Genauso wie die extrem seltenen Wildkatzen, von denen viele gar nicht wissen, dass es sie bei uns noch gibt. Und in liegen gebliebenem Totholz finden sich tausende beeindruckende und teilweise ebenfalls sehr seltene Käferarten: Sogenannte Urwaldreliktarten, die auf unberührte Habitate angewiesen sind.
Fichten können mehrere tausend Jahre alt werden, Eichen über tausend und die älteste Buche Europas – in Österreich – wurzelt bis ins Mittelalter. Die meisten Bäume aber werden bei uns nach spätestens hundert Jahren gefällt und genutzt. Unsere Wälder brauchen wieder eine Chance – die Chance zu altern.
Deutschland wieder wild sein lassen
Eine Million Hektar neue Wildnis ist das erklärte Ziel des WWF für Deutschland. Große, sich selbst überlassene Naturwälder sind neben weniger Holzeinschlag und mehr Klimaschutz die beste Antwort auf Deutschlands sterbende Wälder. Doch bis sich Ökosysteme von menschlichen Einflüssen erholen, vergehen Jahrzehnte und ist die Pflege der Biotope nötig. Und nur wer das Land besitzt und beim Kauf anderen Investoren zuvor kommt, kann sicher darüber verfügen, dass es in Zukunft geschützt bleibt.