Allein durch die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) für aktuell nicht-vermeidbare Emissionen in ausgewählten Industriezweigen bräuchte es etwa 2000 Kilometer neue Pipelines im Meer – in Länge entspräche das in etwa beider Nord Stream-Pipelines. Verbunden damit wären zusätzliche, kritische Belastungen für die bereits überbeanspruchte Nordsee sowie CO2-Emissionen, die die angestrebte Entsorgungsleistung der CCS-Infrastruktur um rund zehn Prozent nach unten korrigieren würden. Das zeigt eine neue Analyse des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschlands. CCS soll mit der Neuerung des Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetzes (KSpTG) möglich gemacht werden, das derzeit im Bundestag verhandelt wird. Aktuell ist aber unklar, ob es noch vor den Neuwahlen beschlossen wird. In jedem Fall fordert der WWF strenge Auflagen für den Umweltschutz und klar begrenzte Anwendungsgebiete für CCS im KSpTG.
„Für den Klimaschutz ist CCS wie ein kleines Pflaster für die große Platzwunde – für die Meere aber kann es der K.O. sein. Eine nicht nachhaltige und zunehmend industrielle Nutzung der Meere gefährdet die grundlegenden Funktionen dieser Ökosysteme als Kohlenstoffsenken, Sauerstoffproduzenten und auch als Nahrungslieferanten. Deshalb braucht es strengste Kriterien für den Meeresschutz, wenn hier Infrastrukturen errichtet werden sollen. Bestehende Meeresschutzgebiete dürfen nicht verletzt werden und wir müssen in den Wiederaufbau von Meeresnatur investieren. Gleichzeitig darf CCS keinesfalls dazu dienen, fossile Energien künstlich am Leben zu halten, sondern darf nur für derzeit nicht-vermeidbare Emissionen aus der Kalk- und Zementindustrie angewandt werden“, so Heike Vesper, Vorständin Politik und Transformation beim WWF Deutschland.
Laut den Berechnungen braucht es im Jahr 2040 für die von den Industriezweigen Zement, Kalk und Müllverbrennung veranschlagten 35 Millionen Tonnen neue Pipelines in Deutschland von insgesamt 10.000 Kilometer Länge – 2.000 Kilometer davon in der Nordsee. Beide Nord-Stream-Pipelines gemeinsam kamen auf rund 2450 Kilometer Länge. Ihr Bau war mit einem massiven Eingriff in das Ökosystem der Ostsee verbunden. Die Errichtung einer neuen CCS-Infrastruktur würde Emissionen in Höhe von 9 bis 11 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten verursachen, der Betrieb mit 3,9 Millionen Tonnen CO2 jährlich zu Buche schlagen. „Diese Emissionen sind aktuell noch nirgends bilanziert“, bemängelt Vesper.
Der WWF fordert, dass die Kosten und Risiken der CCS-Infrastruktur in den Planungen und Gesetzen der Regierung angemessen berücksichtigt werden, im KSpTG, in der Carbon Management Strategie und in allen beteiligten rechtlichen Rahmen. Die vielfältigen Ansprüche an den Naturraum Meer müssen vereint werden: CCS-Bedarfe stehen neben Bedarfen für die Offshore-Windenergie, der Fischerei und weiteren. „Wir brauchen das Meer für wirksamen Klimaschutz und der Meeresschutz braucht einen entschlossenen Boost. Eine überbordende CCS-Infrastruktur beeinträchtigt die natürliche Senkenfunktion massiv und gefährdet die Gesundheit der Meere, des Planeten und damit auch unser Wohlergehen“, so Vesper.