Wildtiere in der Natur sind unersetzlich für unser menschliches Wohlergehen, werden aber in ihren Leistungen oft verkannt und nicht ausreichend geschützt. Ein heute veröffentlichter WWF-Report zeigt anhand diverser Beispiele, welche „Dienstleistungen“ verschiedene Tiergruppen in der Natur erbringen und wie sie damit unsere Lebensgrundlagen erhalten. Nur gesunde und ausreichend große Wildtierpopulationen können diese Rollen ausfüllen. Die Menschheit dezimiert die Wildtierbestände allerdings konstant und verursacht das größte Artensterben seit dem Ende der Dinosaurierzeit.
„Gesunde Wildtierpopulationen sind ein essenzieller Baustein funktionierender Ökosysteme. Planktonfresser wie Wale transportieren Nährstoffe quer durch die Ozeane, Hornvögel verteilen Samen im Regenwald und helfen so bei der Aufforstung, Luchse regulieren das Wild und damit auch Schäden im Wald und in der Landwirtschaft. Es geht dabei nicht nur um die Vielfalt der Arten, sondern auch um die Anzahl der Tiere jeder Art in der Natur. Denn die Populationen müssen groß genug sein, um ihre ökologischen Rollen so erfüllen zu können, dass Funktionen der Natur nicht in Gefahr geraten. In Zeiten des rasanten Artensterbens und der massiven Bestandsrückgänge wird das mehr und mehr zum Problem“, erklärt Anne Hanschke, Artenschutzexpertin beim WWF Deutschland.
Der Bericht gruppiert die Tierarten in sogenannte Gilden ein:
Raubtiere: Sie beeinflussen die Populationen von Beutetieren und von anderen Raubtieren, was wiederum große Auswirkungen auf die Ökosysteme hat. Wenn Raubtiere abnehmen oder ganz fehlen, können beispielsweise Pflanzenfresser zunehmen und Pflanzenbestände schädigen.
Weidetiere: Sie erhalten die Pflanzenvielfalt und die Biomasse durch Abweiden, Verbiss und Zertrampeln, sie transportieren Samen und halten die Landschaft fruchtbar.
Wale und andere Planktonfresser: Sie ernähren das Phytoplankton und erhalten die Produktivität der Ozeane durch die sogenannte „Walpumpe“ - sie transportieren tief unter Wasser aufgenommene Nährstoffe und scheiden sie nahe der Oberfläche aus.
Samenverbreiter: Die Hälfte aller Pflanzen sind auf Tiere angewiesen, um ihre Samen zu verbreiten. So bleiben Lebensräume vielfältig, widerstandsfähig und miteinander verbunden, was sich auch positiv auf die Klimaanpassung, den Katastrophenschutz und die Wassersicherheit auswirkt. Zudem transportieren gerade große Tiere oft die großen Samen von großen Baumarten, was die Kohlenstoffspeicher-Fähigkeit der Wälder hoch hält.
Bestäuber: Weltweit sind fast 90 Prozent aller blühenden Pflanzenarten und 75 Prozent der Nahrungsmittelpflanzen in gewissem Maße von Tieren abhängig, die sie bestäuben. Das macht die Bestäubung zu einer der wichtigsten Ökosystemleistungen, gerade für unsere Nahrungsmittelproduktion auf dem Acker oder aus der Natur.
Bodenverbesserer und -auflockerer: Sie erzeugen und bewegen Boden, sorgen für den Nährstoffkreislauf, unterstützen die Wasserspeicherfähigkeit und dadurch die Nahrungsmittelproduktion und helfen bei der Klimaregulierung.
„Jede noch so kleine oder unscheinbare Art hat eine Rolle im dynamischen Gleichgewicht von Wäldern, Steppen, Flüssen und Ozeanen – ob Käfer, Ameise, Libelle, Wurm oder Muschel“, betont Anne Hanschke. „Während sich Pflanzen wie Mangroven langsam einen Namen als CO2-Senke und naturbasierte Lösung in der Klimakrise machen, wird die Rolle von Wildtieren für den Erhalt von Ökosystemen bisher weitgehend ignoriert. Dieser Bericht zeigt aber: Wir brauchen Wildtiere für unser gesundes und sicheres Leben.“
Weltweit stehen Tiere und Pflanzen durch den Verlust und die Zerstörung von Lebensräumen, die Übernutzung und die verheerenden Auswirkungen des illegalen Handels unter enormem Druck, dazu kommen die Folgen der Mensch gemachten Klimakrise, invasiver Arten und Umweltverschmutzung. Der kürzlich veröffentlichte WWF Living Planet Report zeigt, dass die beobachteten wildlebenden Wirbeltier-Bestände seit 1970 durchschnittlich um fast drei Viertel zurückgegangen sind. Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES sind rund eine Million Tier- und Pflanzenarten akut im Bestand bedroht.
„Der Mensch ist für das dramatische Artensterben verantwortlich und reißt sich damit selbst in den Abgrund. Wir müssen uns klar machen, dass die Beiträge von Wildtieren für unser eigenes gutes und sicheres Leben niemals hinreichend von technischen Alternativen ersetzt werden können. Der einzige Ausweg ist es, das Artensterben zu stoppen und die Bestände von Wildtieren, die uns in der Natur noch bleiben, zu erhalten und zu stärken. Dazu müssen wir die Arten selbst und ihre Lebensräume schützen und sie vor Übernutzung, Wilderei und illegalem Artenhandel bewahren“, so Anne Hanschke.
Ab dem 21. Oktober findet in Kolumbien die nächste Weltnaturkonferenz statt. Dort wird sich zeigen, ob die Staaten Fortschritte bei der Umsetzung des 2022 verabschiedeten Weltnaturabkommens machen und ihre Versprechen zum Schutz der weltweiten Biodiversität einhalten. Im Haushalt der deutschen Bundesregierung lässt sich aktuell nicht eindeutig erkennen, dass die internationalen Verpflichtungen zur Finanzierung eingehalten werden können.
Das Abkommen ist die letzte Chance für das gemeinsame Vorgehen aller Länder zum Schutz der Lebensgrundlagen auf unserem Planeten. Dabei macht dieser WWF-Bericht noch einmal deutlich, wie wichtig der Erhalt gesunder Wildtierbestände für unser gesundes Leben und unseren Wohlstand ist.
Wie Wildtiere unsere Lebensgrundlagen bewahren
Kontakt
Freya Duncker
Pressesprecherin für Meeresschutz und Biodiversität / Hamburg
- Bedrohte Arten
- Biodiversität - Bedeutung und Bedrohung