Die Weltnaturkonferenz befindet sich auf der Zielgeraden. Am morgigen Freitag enden die Verhandlungen in Cali. Der WWF sieht einige inhaltliche Fortschritte, ist aber gleichzeitig sehr besorgt, dass sich die Staaten in den entscheidenden politischen Fragen nicht einig werden. So sind beispielweise der globale Süden und der globale Norden noch weit davon entfernt, einen Konsens darüber zu finden, wie internationale Gelder für den Erhalt der Biodiversität in Zukunft verteilt werden. Die Finanzierung ist zentral für die global gerechte Umsetzung des Weltnaturabkommens, das bis 2030 den Verlust der Arten und Ökosysteme stoppen und umkehren soll.
Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland, bewertet die aktuelle Situation kritisch: „Die Weltgemeinschaft hält die Zukunft unserer Gesellschaft in den Händen. Doch die Staaten streiten sich über Dinge, die nicht im Verhältnis zu dieser enormen Verantwortung stehen. Sie müssen raus aus ihrem Tunnelblick. Es bleiben fünf Jahre, um bis 2030 die gesetzten Ziele zu erreichen. Fängt man erst in zwei Jahren auf der nächsten Weltnaturkonferenz damit an, ist die Zeit schon fast abgelaufen. Um einen Kompromiss im Sinne des großen Ganzen kommen die Staaten hier in Cali nicht herum.“
Positiv bewertet der WWF, dass Klima- und Biodiversitätsziele besser in den jeweiligen UN-Abkommen verzahnt werden sollen. Auch in Wirtschaftssektoren soll Biodiversität stärker berücksichtigt werden. Es ist auch zu begrüßen, dass indigene Völker und lokale Gemeinschaften und ihr traditionelles Wissen besser in den zukünftigen Entscheidungen der Konvention integriert werden sollen und dass ein Aktionsplan für Gesundheit und Biodiversität mit dem sogenannten One-Health-Ansatz das Risiko zukünftiger Pandemien verringern soll. Auch beim Biodiversitätserhalt in den Meeren ist ein großer Durchbruch erzielt worden.
Andererseits ist es frustrierend zu sehen, wie sehr die Staaten auf ihren Positionen beharren, wenn es um das Geld geht. Es wird, wie schon bei der letzten Weltnaturkonferenz, vor allem darüber gestritten, wie die finanzielle Unterstützung für die Länder des globalen Südens verteilt werden soll und welche Regeln es dafür zukünftig gibt. Zudem gibt es noch keine Einigung darüber, wie die Profite fair verteilt werden, die aus der Nutzung von genetischem Material aus der Natur gemacht werden, wie zum Beispiel in der Pharmaindustrie.
„Hier wird gestritten, während auf der ganzen Welt unsere Lebensgrundlagen erodieren. Extremwetter zerstören Ernten und machen Landstriche unbewohnbar. Fischbestände kollabieren, sauberes Wasser wird knapp, Lieferketten brechen zusammen. Kein Budget der Welt kann die Leistungen der Natur kompensieren, wenn sie einmal verloren sind. Und die Gelder und Finanzierungsmechanismen, die hier von Industriestaaten wie Deutschland und der EU als rote Linien bezeichnet werden, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was wir jedes Jahr in anderen Bereichen investieren, die darüber hinaus auch noch der Natur schaden“, so Florian Titze.
Deutschland gibt auf dieser Konferenz aus Sicht des WWF ein gemischtes Bild ab. Einerseits zeugt von Führungsstärke des Umweltministeriums, dass Bundesumweltministerin Steffi Lemke den Entwurf des deutschen Umsetzungsplans, die nationale Biodiversitätsstrategie 2030, bereits mit nach Cali gebracht hat. Auf der anderen Seite konnte sich die Regierungskoalition in der Ressortabstimmung zwischen den Ministerien dazu noch nicht final einigen. Das erweckt in der globalen Gemeinschaft den Eindruck, dass der politische Wille für den Erhalt der Lebensgrundlagen nicht von der gesamten Regierung geteilt wird.
„Intakte Ökosysteme sind die Basis für unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere Gesundheit. Die Staaten können noch ewig miteinander verhandeln, aber die Katastrophen um uns herum werden immer weiter zunehmen. Für den Planeten zählen nur Fakten. Der WWF drängt deshalb energisch auf globale Solidarität, Kompromissbereitschaft, gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit, damit diese Weltnaturkonferenz ein Erfolg wird.“