Heute stellt Bundesminister Özdemir die Ergebnisse der vierten Bundeswaldinventur vor. Sie liefert erschreckende Erkenntnisse: In den letzten fünf Jahren hat der Wald in Deutschland weniger Kohlendioxid eingelagert, als er abgegeben hat. Dr. Susanne Winter, Programmleitung Wald beim WWF Deutschland ist besorgt: „Die Hoffnung ist nicht mehr grün. Die Bundesregierung hat den Wald als Klimaschützer fest eingeplant. Doch wir überfrachten ihn mit Aufgaben und plündern ihn aus. Mit der Bundeswaldinventur haben wir es amtlich: Der Wald fällt als Klimaschützer aus.“
Die Inventurdaten zeigen: Der deutsche Wald hat nicht den erwarteten Beitrag als Kohlenstoffsenke geleistet. Denn der Holzzuwachs stagniert seit der letzten Inventur im Jahr 2012. Der mittlere Zuwachs lag mit 9,41 m³ pro Hektar und Jahr im Durchschnitt unter dem Abgang durch Holznutzung oder Absterben von rund 10,2 m³ pro Hektar und Jahr. Damit entfernt sich die deutsche Forstwirtschaft von ihrem Nachhaltigkeitsversprechen.
Auffällig ist, dass in Großprivatwäldern deutlich weniger Nadelholz als Laubholz genutzt wird als in öffentlichen Wäldern. Hier scheint der notwendige Waldumbau– ein erklärtes Ziel der Ampelkoalition – nicht ausreichend zu erfolgen. Jetzt rächt sich, dass der Umbau von Nadelholzmonokulturen in klimastabile Laubwälder nicht frühzeitig und konsequent angegangen wurde. Das Totholzvolumen liegt jetzt bei rund 29 m³ pro Hektar und hat damit erfreulich zugenommen. Dies ist aber vor allem auf abgestorbene Nadelholzforste zurückzuführen, die weniger zum Biodiversitätserhalt beitragen. Der Wert für den Großprivatwald ist mit 23 m³ pro Hektar im Vergleich zum Staatswald mit 36 m³ pro Hektar auffallend niedrig.
Ende September hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg bestätigt, dass die Ziele des Klimaschutzgesetzes im Landnutzungssektor (LULUCF) mit den bisher geplanten Maßnahmen zu praktisch 100 Prozent verfehlt würden. Soll der Wald jedoch Partner im Klimaschutz bleiben und die 2030er Klimaschutzziele erreicht werden, geht das nur durch deutlich weniger Holznutzung und Aufbau des Holzvorrats. „Dazu muss der jährliche Holzeinschlag in den nächsten Jahren um rund ein Drittel verringert werden“, fordert Susanne Winter. „Alte Laubwälder dürfen gar nicht mehr oder nur sehr wenig und schonend genutzt werden, großflächige Rodungen sind auszuschließen. Zudem müssen wir die Moore schnell und umfassend wiedervernässen, die Förderung von Holzverbrennung in Kraftwerken abschaffen und eine funktionierende Kreislaufwirtschaft für Holz durchsetzen.“ Altholz sollte nicht verbrannt, sondern gleichwertig weitergenutzt werden. Außerdem sollte die Bundesregierung mit der Bundeswaldgesetzreform dringend die Möglichkeit nutzen, den Waldzustand und nicht nur die Waldfläche zu schützen.
„Angesichts dieser verheerenden Bilanz aus der Bundeswaldinventur zeigt sich mehr denn je, dass wir ein starkes Bundeswaldgesetz brauchen. Es liefert bundesweit gültige Vorgaben, die wir für den Klima- und Biodiversitätsschutz dringend benötigen. Jetzt liegt es an Bundesminister Özdemir, ob wir den Wald in Deutschland fit für den Klima- und Biodiversitätsschutz und unsere Zukunft machen können. Insbesondere muss es eine Obergrenze für genehmigungsfähige Kahlschläge geben und der Wald darf nicht durch eng beieinander liegende Rückegassen für die Holzfällung und -transport zerhäckselt werden. Hier muss dringend nachgebessert werden. Der über die EU-Biodiversitätsstrategie vereinbarte Schutz der Wälder mit 10 Prozent Stilllegung und 30 Prozent wirksamen Schutzgebieten muss endlich umgesetzt werden, um dem Wald sein Überleben zu erleichtern, “ so Winter.
Hintergrund:
Alle zehn Jahre wird der Wald in Deutschland inventarisiert. Das Thünen-Institut für Waldökosysteme ist vom BMEL mit der Bundesinventurleitung beauftragt und fasst die Ergebnisse zusammen. Für die Durchführung wurde ein Stichprobennetz in mindestens einem vier mal vier Kilometer Raster über das Land verteilt, um die grundlegende Vergleichbarkeit zu gewährleisten. An den Stichprobenpunkten erfassen speziell geschulte Forstleute über 150 Merkmale: Baumarten und Baumhöhe, Durchmesser der ausgewählten Probebäume sowie Art und Menge des Totholzes. Die Ergebnisse sind eine zentrale Informationsquelle für die Wald-, Klima- und Naturschutzpolitik von Bund und Ländern.