Zahl ohne Struktur

Die Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase in Deutschland sind nach Zahlen des Umweltbundesamts 2023 historisch tief gewesen – allerdings nicht aufgrund struktureller Klimaschutzmaßnahmen, sondern aufgrund der schwächelnden Wirtschaft. Dazu sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland:  

„Jede Freude über den deutlichen Emissionsrückgang und wirkende Klimaschutzmaßnahmen bleibt schnell im Halse stecken. Denn der Blick auf die Ursachen offenbart: Hier schlagen sich politische und wirtschaftliche Krisen nieder, statt Wille zur Transformation und strukturelle Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren. Das Beharren auf der Schuldenbremse, zu wenige Investitionen in Praktiken und Prozesse, die sowohl das Klima schützen als auch die Wirtschaft nachhaltig aufstellen, lassen diese schwächeln, statt sie zu stärken. Wirkungsvoll wird der Emissionsrückgang nur, wenn er auf strategischem Klimaschutz und dem zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft fußt.  

Doch bisher gibt es hier eklatante Mängel, insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude, die durch konstante Zielverfehlungen auf gewaltige Minderungslücken zusteuern. Und statt nach geltendem Gesetz mit ausreichenden sektoralen Sofortprogrammen nachzusteuern, werden wichtige Hebel wie schnellere Sanierungen nicht betätigt. Im Gebäudesofortprogramm 2022 waren wirkungsvolle Maßnahmen zur Emissionsreduktion vorgesehen – so etwa die Umsetzung der Mindesteffizienzstandards für besonders schlechte Gebäude – die durch Parteiblockaden dann wieder gestrichen wurden. Im Verkehrssektor muss überhaupt endlich mit einem wirkungsvollen Klimaschutz angefangen werden. Auch wenn das Umweltbundesamt darauf hinweist, dass die Emissionsziele für 2030 sektorübergreifend voraussichtlich erreicht werden, dürfen wir uns angesichts erheblicher Unsicherheiten nicht darauf ausruhen. Es ist zudem nicht sichergestellt, dass Deutschland die Einhaltung europäischer Vorgaben in den Sektoren Gebäude und Verkehr schafft. Bei Nichteinhaltung könnten hohe Strafzahlungen drohen. Ohne wesentlich mehr Ambition in diesen Sektoren ist die Klimaneutralität 2045 kaum zu schaffen. Sich auf den Gesamtemissionen ausruhen zu wollen, die maßgeblich durch Krisen zurückgegangen sind, ist wie einen Deich nicht zu reparieren, weil es die vergangenen paar Wochen keine Sturmflut gab. 

Es braucht ein starkes, alle Sektoren forderndes Klimaschutzgesetz für Planbarkeit und Klarheit. Um nun die beschleunigte Transformation aller Sektoren einzuleiten, brauchen wir starke ministerielle Verantwortung mit effektiven Klimaschutzmaßnahmen, einen Haushalt, in dem die Transformation strukturell verankert ist und damit einhergehend zukunftsfähige Investitionen, die nicht von einer Schuldenbremse begrenzt werden, die den aktuellen Herausforderungen nicht mehr angemessen ist.“ 

Hintergrund

Jedes Jahr zum 15. März stellt das Umweltbundesamt die Emissionsbilanz des Vorjahres vor. Das löst – nach aktuellem Klimaschutzgesetz – weitere Schritte aus: Die Zahlen werden zunächst vom Expertenrat der Regierung geprüft. Mit Veröffentlichung der Prüfung bleiben den Ministerien, die ihre Klimaziele verfehlen, dann drei Monate Zeit, um mit Sofortprogrammen gegenzusteuern. Die Bundesregierung hat allerdings vor, das Klimaschutzgesetz so abzuschwächen, dass es nur noch übergeordneter Sofortprogramme der gesamten Regierung bedarf – und das auch erst, wenn Ziele zwei Jahre in Folge verfehlt werden. Angesichts der Dringlichkeit im Angesicht der fortschreitenden Klimakrise würde das verheerende Rückschritte bedeuten. 

Kontakt

Lea Vranicar

Pressesprecherin für Klimaschutz und Energiepolitik / Berlin

  • Windkrafträder © Global Warming Images / WWF Weltweit für mehr Klimaschutz

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