Meeresschutz in Nord- und Ostsee gerät unter Druck: Es drohen Gewerbeparks im Ozean / "Ruhe- und Rückzugsräume für Meeresnatur schaffen, statt Verdrängungskampf auf See forcieren"

Zum Tag der Ozeane am 8. Juni warnt der WWF vor der wachsenden Industrialisierung der Meere. Neben den bekannten Belastungen aus Überfischung, Verschmutzung, Zerstörung von Lebensräumen und der Klimakrise steigt aktuell der Industrialisierungsdruck mit dem Aufbau von Infrastrukturen für Flüssiggas (LNG), Wasserstoff, Offshore-Windparks und – ganz neu – den Plänen zur Verpressung von CO2 im Meeresgrund. Das gilt insbesondere für die deutschen Gewässer.
 
„In Nord- und Ostsee ist ein regelrechter Verdrängungskampf um Meeresraum entbrannt. Die Nutzungsansprüche überlappen sich, Druck und Belastungen wachsen und dabei gerät der Meeresschutz ins Abseits. Schon jetzt gibt es zwischen Kabeltrassen, Schifffahrtsrouten und Fischfanggebieten nicht mehr genug Rückzugs- und Ruheräume, in denen die marinen Ökosysteme intakt sind oder sich erholen können“, kritisiert Kristín von Kistowski, Leiterin Meeressschutz beim WWF Deutschland. Deshalb betont der WWF, dass insbesondere Klima- und Meeresschutz Hand in Hand gehen müssen: „Wir brauchen den Wind von See für die Energiewende und so letztlich auch für den Schutz der Meere vor der Klimakrise. Doch der Ausbau von Offshore-Windkraft muss mit Umsicht geschehen. Es geht um die Grenze zwischen industrieller Überbeanspruchung und Meeresschutz. Die Bunderegierung darf Nord- und Ostsee nicht zu Gewerbeparks umbauen, um bei den Klimazielen erfolgreich zu sein“.
 
Die derzeitigen Entwicklungen vernachlässigen den Meeresschutz: Für Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee könnte in sogenannten Beschleunigungsgebieten die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen. Mit der nationalen Umsetzung der neuen Erneuerbaren-Richtlinie der EU (RED III) droht die deutsche Bundesregierung über das Ziel hinauszuschießen und Vorgaben zum Schutz der Meere und der Biodiversität zu verletzen. Überdimensionierte LNG-Infrastruktur zerstört Seegraswiesen und Laichgebiete des Herings in der Ostsee. Zusätzlich öffnete die Bundesregierung die Büchse der Pandora, indem sie in der vergangenen Woche die geologische Speicherung von Kohlendioxid auch für die Gasbranche freigab. Die Infrastruktur für die CO2-Entsorgung im Meer droht durch ein tausende Kilometer langes Pipelinenetz an Land und vor den Küsten einen massiven zusätzlichen Flächenverbrauch bei nicht bezifferbarem Risiko zu verursachen. Aus Sicht des WWF darf CCS ausschließlich für aktuell schwer-vermeidbare Restemissionen in der Industrie zum Einsatz kommen und unter keinen Umständen in oder unter Meeresschutzgebieten stattfinden. Gleiches muss für die Verlegung von Pipelines gelten. Zudem muss eine mögliche CO2-Speicherung an Land geprüft werden.
 
„Klimaschutz und Meeresschutz müssen zusammen gedacht und erreicht werden. Gerade die Nordsee ist eines der produktivsten Meere weltweit und ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Die stetig zunehmende Ausbeutung auch von Nord- und Ostsee untergräbt ihre Gesundheit und natürliche Leistungsfähigkeit“, so Kistowski weiter. Es geht unseren Meeren längst so schlecht, dass wir Belastungen reduzieren und gleichzeitig für wirksamen Schutz sorgen müssen, indem verlorengegangene Lebensräume und natürliche CO2-Senken wie Seegraswiesen wieder aufgebaut werden. Die Bundesregierung hat auf internationaler Bühne das globale Biodiversitätsabkommen unterstützt, mit dem 30 Prozent der Meere und Küsten effektiv zu schützen sind. Diese Aufgabe muss sie auch zuhause in Nord- und Ostsee erfüllen.
 

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin für Meeresschutz und Plastikmüll / Hamburg

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz