Umfrage von PwC Deutschland und WWF Deutschland: noch keine strategische Herangehensweise an Biodiversität- und Naturschutz/Vorteile eines naturpositiven Wirtschaftens nicht ausreichend erkannt

Das Thema Biodiversität wird von den Finanzunternehmen in Deutschland noch nicht ernst genug genommen. Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage von PwC und WWF Deutschland „Natur- und Biodiversitätsschutz im deutschen Finanzsektor – eine Bestandsaufnahme“ zeigen: Drei Viertel der befragten Banken, Asset Owner und Asset Manager stufen die Bedeutung von Biodiversitäts- und Ökosystemaspekten im deutschen Finanzsektor als „eher gering“ ein – bei den teilnehmenden Banken tun dies sogar 88 Prozent. Auch die Gefahr physischer Risiken durch den Verlust von Biodiversität halten die Befragten mehrheitlich (33 Prozent) für gering.

Dennoch haben drei Viertel der Befragten als Haupttreiber für die Auseinandersetzung mit Biodiversitätsaspekten die damit einhergehende Minderung der CO2-Emissionen und mehr als Zwei Drittel die Abhängigkeit des globalen BIPs von naturbasierten Ressourcen erkannt. Chancen sehen sie überwiegend in einer verbesserten Risikoresilienz (39 Prozent) sowie im Erlangen von Wettbewerbs- und Reputationsvorteilen (15 Prozent).

Gleichwohl hat das Thema noch keine strategische Bedeutung für Finanzinstitute: Nur ein sehr kleiner Teil nutzt Biodiversitätsdaten bereits zu Steuerungszwecken oder für Net Zero Transitionspläne und lediglich die Hälfte verfügt bereits oder befindet sich in der Entwicklungsphase von Biodiversitätszielen, knapp die andere Hälfte (46 Prozent) plant dies nicht.

„Der Finanzsektor hat die Risiken und Chancen eines naturpositiven Wirtschaftens noch nicht ausreichend erkannt: Dies zeigen die Ergebnisse unserer Umfrage. Das Bewusstsein für physische Risiken, aber auch für Vorteile, die über Wettbewerbschancen und Reputation hinausgehen, muss auf Seiten der Institute wie auch auf Kundenseite geschärft werden“, so Angela McClellan, Direktorin für Sustainable Finance bei PwC Deutschland.

Angebot und Nachfrage hinken aktuellen Entwicklungen hinterher

Die Vorteile eines natur-positiven Wirtschaftens werden auch auf Kundenseite nicht ausreichend nachgefragt: So schätzen die Teilnehmenden die Nachfrage nach Produkten mit Biodiversitätskriterien sowohl bei den Privatkund:innen (40 Prozent) als auch bei den Geschäftskund:innen (69 Prozent) als „eher gering“ ein.  Zumindest legen die Zahlen nahe, dass Angebots- und Nachfrageorientierung den aktuellen Herausforderungen hinterherhinkt.

„Das Vernachlässigen von Chancen und Risiken der Biodiversität im Finanzsektor wird langfristig zum K.-o.-Kriterium werden - nicht nur für den Erhalt unserer Ökosysteme, sondern auch für die wirtschaftliche Stabilität. Jetzt gilt es, in die Zukunft zu investieren und Renditeannahmen langfristiger und widerstandsfähiger zu gestalten. Wer sich frühzeitig mit Biodiversität auseinandersetzt, profitiert langfristig von stabileren Renditen und einer stärkeren Marktposition.“, Katja Kirchstein, Senior Advisor, Sustainable Finance, WWF Deutschland.

"Das Vernachlässigen von Chancen und Risiken der Biodiversität im Finanzsektor wird langfristig zum K.-o.-Kriterium werden - nicht nur für den Erhalt unserer Ökosysteme, sondern auch für die wirtschaftliche Stabilität."

Katja Kirchstein, Senior Advisor, Sustainable Finance, WWF Deutschland.

Steigender Umsetzungsdruck im Finanzsektor

Die Regulierung und neue Standards zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität nehmen die Finanzunternehmen zunehmend in die Verantwortung: Das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) hat zum Ziel, von 2022 bis 2030 den Netto-Verlust von Biodiversität zu stoppen und eine Lebens- und Wirtschaftsweise im Einklang mit der Natur zu erreichen. Darüber hinaus sind Finanzinstitute und Industrieunternehmen seitens der EU mit umfassenden, regulatorischen Anforderungen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen konfrontiert – dazu gehören die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die EU-Taxonomieverordnung, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und weitere EU-Gesetze, die den Finanzsektor indirekt betreffen. Im Oktober soll der Fokus des COP 16-Treffens in Kolumbien auf der Verringerung der Finanzierungslücke für Biodiversität liegen. Dafür werden die Staaten angehalten, bis 2025 die internationalen naturbezogenen Finanzmittel auf mindestens 20 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen.

Herausforderungen bei der Integration von Biodiversität

Mit der Entwicklung der Regulierung machen die europäischen Aufsichtsbehörden deutlich, dass sie von Finanzinstituten neben der Berücksichtigung von Klimarisiken auch die Integration von Biodiversitätsrisiken in das Risikomanagement erwarten. Doch die Umsetzung scheitert an verschiedenen Herausforderungen – als größte sehen die Befragten die Quantifizierung von Biodiversität und Ökosystemen (75 Prozent), die fehlende Dateninfrastruktur (69 Prozent) sowie den Mangel an Wissen und Know-how (50 Prozent). Dies entspricht nahezu den Ergebnissen der PwC / WWF Umfrage von 2022, die in  der Studie „Von Net Zero zu Nature Positive“ veröffentlicht wurde – obwohl es mittlerweile zahlreiche Initiativen gibt, um die Unternehmen bei der Entwicklung entsprechender Indikatoren zu unterstützen oder die entsprechende Tools zur Verfügung zu stellen.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass sich der Finanzsektor mit den Initiativen, den bereit gestellten Standards und Hilfestellungen noch nicht ausreichend auseinandergesetzt hat. „Fazit für die Unternehmen: Hausaufgaben machen – für ein zukunftsorientiertes Management von Biodiversitätsrisiken und zur Sicherung der Lebensgrundlagen für Mensch und Natur“, so Angela McClellan, Direktorin für Sustainable Finance bei PwC Deutschland.

Kontakt

Julian Philipp

Pressesprecher für Transformation von Wirtschaft und Finanzmarkt / Berlin

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz