Am 26. Juni gibt es im Wattenmeer Grund zum Feiern. Seit 15 Jahren trägt die einzigartige Landschaft an der deutschen, dänischen und niederländischen Nordseeküste den Titel „Weltnaturerbe“ der UNESCO. Der WWF zieht zu diesem Anlass eine gemischte Bilanz: Eine verstärkte gesellschaftliche Bereitschaft zum Schutz des Wattenmeeres ist ebenso erfreulich wie einige erzielte Naturschutzfortschritte. Doch zugleich stieg der Druck auf die Natur durch Großprojekte in den letzten Jahren weiter an.
„Es ist die Summe aus all den Projekten zur Erdgas-Gewinnung, Flüssiggas-Terminals, Vertiefungen von Flussmündungen und Fahrwassern sowie der Verlegung von großen Kabeln und Pipelines, die die Natur im Weltnaturerbe Wattenmeer besonders bedrohen,“ kritisiert Hans-Ulrich Rösner, Wattenmeerexperte des WWF. Dazu addieren sich schon länger bestehende Belastungen, zum Beispiel die immer noch unzureichend geregelte Fischerei innerhalb des geschützten Gebiets und der stellenweise sehr intensive Tourismus. Die Klimakrise und der damit verbundene Meeresspiegelanstieg stellen sogar ein besonders großes Risiko für das Wattenmeer dar.
Der WWF fordert, alle Projekte zur Gewinnung von fossiler Energie aus Öl und Erdgas im Wattenmeer so schnell wie möglich zu beenden. „Die Förderplattformen schädigen die Natur, das gewonnene Gas schädigt das Klima. Sie gehören nicht ins Weltnaturerbe, ihr Bau muss verhindert und bestehende Anlagen stillgelegt werden“, so Hans-Ulrich Rösner.
Eine erhebliche Belastung für das Wattenmeer kommt aber auch durch den Ausbau der Windenergie an der Festlandsküste sowie seeseitig des Wattenmeeres im Offshore-Bereich zustande. „Klar ist, wir brauchen die Windenergie für die dringend notwendige Energiewende. Ihr Ausbau muss jedoch naturverträglich erfolgen. Das betrifft auch die großen Kabel, mit denen die Energie aus den Offshore-Windparks abgeführt wird und die das Wattenmeer durchqueren,“, mahnt Rösner. Diese Kabel müssen gebündelt auf möglichst wenig Trassen verlegt werden, die besonders sensible Teile des Wattenmeeres aussparen. Der WWF fordert außerdem, auch Alternativen für eine Verlegung außerhalb des Wattenmeeres einzubeziehen und die naturverträglichste technische Verlegungsmethode anzuwenden.
Das Wattenmeer ist auch durch die Klimakrise und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg massiv bedroht: Wattflächen, Salzwiesen, Strände, Dünen und sogar Inseln könnten mitsamt ihrer einmaligen Natur in der längeren Sicht verloren gehen. Sturmfluten würden an den Küsten höher auflaufen und Menschen gefährden. Der globale Klimaschutz ist deshalb aus Sicht des WWF auch eine Voraussetzung für die Erhaltung des Wattenmeeres. Zusätzlich müssten die Möglichkeiten für eine naturverträgliche Klimaanpassung des Wattenmeeres erkundet und erprobt werden, denn auch bei wirksamem Klimaschutz wird der Meeresspiegel noch lange so stark steigen, dass Wattflächen und Salzwiesen in die Höhe wachsen müssen, um Schritt zu halten.
Hintergrund: Das Weltnaturerbe Wattenmeer wurde 2009 von der UNESCO anerkannt und umfasst rund 11.500 Quadratkilometer Küstenlandschaft an der Nordseeküste von Deutschland, Dänemark und den Niederlanden. Die Auszeichnung bekam das Wattenmeer wegen seiner Einzigartigkeit, der sehr großen Bedeutung für ziehende und brütende Wat- und Wasservögel und der dynamischen Natur. Voraussetzung für die Anerkennung war, dass das Wattenmeer gut geschützt ist. In Deutschland wird der Schutz vor allem durch die drei Wattenmeer-Nationalparke gewährleistet, die zu Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg gehören. Dank dieses Schutzes kann man heute – trotz aller bestehenden und neu hinzukommenden Bedrohungen – eine vielfach noch weitgehend intakte Landschaft, zahlreiche Küstenvögel, erholte Bestände an Seehunden und Kegelrobben sowie blühende Salzwiesen bestaunen.