WWF-Bericht listet 742 neuentdeckte Arten im Kongobecken

Elektrische Fische, ein Panzerkrokodil und neue Kaffeearten gehören zu den 742 neuen Tier- und Planzenarten, die in den letzten zehn Jahren im Kongobecken entdeckt und von Forschenden offiziell als neue Arten beschrieben wurden. Ein aktueller WWF-Bericht unterstreicht die bemerkenswerte Artenvielfalt und den dringenden Schutzbedarf in einem der wichtigsten Ökosysteme der Welt.

„Das Kongobecken ist eine Schatztruhe der biologischen Vielfalt, der global wenig Beachtung geschenkt wird.  Diese Regenwälder sind die „Lunge Afrikas“ und spielen als größte Kohlenstoffsenke der Welt eine entscheidende Rolle für unser Klima. Jede neue Entdeckung unterstreicht den Artenreichtum und die ökologische Bedeutung des Kongobeckens“, verdeutlicht Julia Barske, Programmleiterin Kongobecken beim WWF Deutschland. Mit einer Fläche von fast 200 Millionen Hektar erstreckt sich das Kongobecken über die Länder Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Demokratische Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun und die Republik Kongo. Mehr als 75 Millionen Menschen sind für ihre Ernährung, ihren Schutz und ihre kulturelle Identität auf Ressourcen des Kongobeckens angewiesen.

Der WWF-Bericht fasst die Arbeit von Forschenden aus der ganzen Welt zusammen, die zwischen 2013 und 2023 insgesamt 742 neu beschriebene Arten entdeckt haben. Darunter sind 430 Pflanzen, 140 wirbellose Tiere, 96 Fische, 22 Amphibien, 42 Reptilien, 2 Vögel und 10 Säugetiere.

Auch die elementare Rolle  indigenen Wissens für den  Naturschutz betont der Bericht. „Seit Jahrhunderten leben indigene Gemeinschaften in Harmonie mit den Wäldern. Die Anerkennung ihres Wissens ist für den Erfolg des Naturschutzes unerlässlich. Viele der neuen Funde sind den Menschen, die im Kongobecken leben, seit Jahrhunderten vertraut, der Wissenschaft dagegen bislang unbekannt“, so Barske weiter. 

Doch das Kongobecken ist vielen Bedrohungsfaktoren ausgesetzt: Illegale sowie nicht-nachhaltige Abholzung, Bergbau und landwirtschaftliche Nutzung zerstören die Wälder. Buschfleischkonsum und der illegale Handel mit Wildtieren dezimieren zahlreiche Arten - nicht nur Neuentdeckungen, sondern auch ikonische Arten wie Waldelefanten,  Schimpansen sowie Berg- und Flachlandgorillas  Aufgrund der anhaltenden Bedrohungen listet die Weltnaturschutzunion (IUCN) derzeit 1.082 Arten im Kongobecken als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Der WWF fordert dringende Maßnahmen zum Schutz der einzigartigen und gefährdeten Artenvielfalt im Kongobecken. Die Regierungen der Region haben sich darauf geeinigt, bis 2030 30 Prozent ihres Landes  unter Schutz zu stellen, und der WWF unterstützt sie dabei.

Kurzportraits einiger Arten aus dem Report:

  • Atheris hetfieldi: Die giftige Buschviper kommt ausschließlich am Fuße eines Vulkans auf der Insel Bioko in Äquatorialguinea vor. Ihr massiver, dreieckig geformter Kopf verleiht ein drachenartiges Aussehen, das an Heavy Metal Bands denken lässt. Benannt wurde die 2022 beschrieben Art nach James A. Hetfield, dem Frontmann der Band Metallica.
  • Lesula (Cercopithecus lomamiensis), der 2012 im Lomami-Becken der Demokratischen Republik Kongo entdeckt wurde, ist erst die zweite neue afrikanische Affenart, die seit 1984 identifiziert wurde. Dieser scheue Primat, der für seine menschenähnlichen Augen, sein blaues Hinterteil und seinen unheimlichen „Bumm“-Ruf bekannt ist, lebt in kleinen Familiengruppen und ist durch die Jagd auf Buschfleisch bedroht. 
  • Ameisen, Käfer, Motten – wirbellose Tiere werden oft übersehen, sind aber unersetzlich im Ökosystem. Das Glühwürmchen Afrodiaphanes pulcher wurde im Jahr 2022 in einem Höhlensystem auf 550 Meter Höhe entdeckt und ist die erste beschriebene Glühwürmchenart in der Zentralafrikanischen Republik.
  •  22 Froscharten wurden im dokumentierten Zeitraum erstmals beschrieben, darunter der Langfingerfrosch Cardioglossa annulata. Die Spezies ist an ihren auffallend langen Zehen zu erkennen. Oder Xenopus allofraseri: Das ist einer von sechs afrikanischen Krallenfröschen. Zum ersten Mal wurde diese Art 2015 in Kamerun beschrieben. Xenopus bedeutet “seltsamer Fuss”. Krallenfrösche haben nämlich ein Merkmal: Sie besitzen an den inneren drei Zehen der Füße große schwarze Krallen. Die Füße der Hinterbeine haben Schwimmhäute, die der Vorderbeine nicht.  
  • Mecistops leptorhynchus Dass das  zentralafrikanische Panzerkrokodil eine eigene Art ist, fiel Forschenden erst 2018 auf. Dabei hat  sich die Linie bereits vor ungefähr acht Millionen Jahren genetisch von der seines  westafrikanischen Vetters  getrennt. Die Art ist durch den Verlust des Lebensraums und durch Wilderei bedroht. 
     
  • Sirdavidia solannona. Der nach Sir David Attenborough benannte Baum aus Gabun wird bis zu sechs Meter hoch und trägt kleine rosafarbene Blüten. Ihre Pollen verbreiten die Blüten mittels der sogenannten Vibrationsbestäubung. Dafür erzeugen Bienen mit ihrem Flügelschlag eine bestimmte Frequenz – nur dann werden die Pollen freigesetzt.
  • Keine neue Art, aber eine kuriose Entdeckung ist die kongolesische Riesenkröte (Sclerophrys channingi), die das Aussehen der hochgiftigen Gabunviper (Bitis gabonica) imitiert, um Fressfeinde zu täuschen.
  • Otus bikegila, die 2022 auf der Insel Príncipe entdeckt wurde, ist eine kleine, charismatische Eule mit Ohrbüscheln und einem unverwechselbaren katzenartigen Ruf. Diese insektenfressende Art, die in den hohen Bäumen des Naturparks Príncipe Obô lebt, unterstreicht die wichtige Rolle von Schutzgebieten für die Erhaltung der Art.
  • Besonders erfreulich und spektakulär war die Entdeckung eines alten Bekannten.  Der Bouvier-Stummelaffe (Piliocolobus bouvieri) galt  über Jahrzehnte als ausgestorben. 2015 wurde erstmals wieder ein Exemplar fotografiert, 2021 entdeckte ein WWF-Team im Ntokou-Pikounda-Nationalpark in der Republik Kongo fünf erwachsene Affen und ein Jungtier. Dank seiner offiziellen Wiederentdeckung konnte der Schutzstatus der Art auf „gefährdet“ herabgestuft werden.

Den ganzen Report zum Herunterladen:

Kontakt

Britta König

Pressesprecherin für Meeresschutz und Plastikmüll / Hamburg

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz