- Verlierer: Korallen, Borneo-Elefanten, Bantengs, Brillenpinguine, Igel & Wölfe
- Gewinner: Tiger, Luchse, Seeadler, Krokodile, Meeresschildkröten, Thunfische
- Footage und Pressebilder: https://medien.wwf.de:5051/sharing/UYR5bOBMv
Der WWF Deutschland zieht unter Artenschutzgesichtspunkten eine durchwachsene Jahresbilanz. Stellvertretend für tausende bedrohte Arten stehen die Verlierer aus dem Tierreich 2024: Korallen, Borneo-Elefanten, Bantengs und Brillenpinguinen geht es teils dramatisch schlechter. Wölfe in Europa sollen wieder auf der Abschussliste stehen. Und sogar der heimische Igel hat mit Problemen zu kämpfen. „Tier- und Pflanzenarten verschwinden im Zeitraffertempo für immer von unserem Planeten. Die Ursachen sind allesamt menschengemacht: Lebensraumzerstörung, Übernutzung und Wilderei, invasive Arten, Umweltverschmutzung sowie die Klimakrise“, so Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland. „Doch die beiden größten, internationalen Konferenzen für Klima- und Naturschutz in 2024 endeten mit bestenfalls durchwachsenen Ergebnissen.“ Die UN-Naturschutzkonferenz CBD COP16 in Kolumbien habe die Welt an das Ziel, die Naturzerstörung bis 2030 aufzuhalten und sogar rückgängig zu machen nicht entscheidend weitergebracht: „Die Verabschiedung einer Finanzierungsstrategie zum Erhalt der weltweiten Biodiversität blieb aus. Und wegen der fehlenden Beschlussfähigkeit in halbleerem Raum, flog schließlich auch der Mechanismus aus dem finalen Beschluss, mit dem die Länder ihre Umsetzungsergebnisse messen sollen. Das Ende der Konferenz war eine Blamage.“ Auch die Weltklimakonferenz wurde den Gefahren der Klimakrise nicht gerecht: „Vor allem die Industrienationen, die hauptsächlich für die Klimakrise verantwortlich sind, sind bei den Verhandlungen in Baku ihrer Verantwortung nicht nachgekommen.“
Doch auch 2024 gibt es Lichtblicke, wie die Gewinner des WWF-Jahresresümees zeigen: Luchsen und Tigern geht es besser, Siam-Krokodile, Meeresschildkröten und Thunfische kehren in ihre altangestammten Lebensräume zurück und der Seeadler ist im Aufwind. „Die Gewinner 2024 verdeutlichen, dass es trotz Rückschlägen und Krisen noch Chancen für die Natur und uns Menschen gibt. Wenn wir wirkungsvolle Naturschutzmaßnahmen umsetzen, können wir Pflanzen, Tiere und schließlich auch das Klima schützen“, so Samson. Dazu brauche es gezielte Artenschutzmaßnahmen für besonders akut bedrohte Tiere, Pflanzen und Ökosysteme. Aber eben auch eine nachhaltige und sozialverträgliche Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und weltweit. „Beim Artenschutz geht es längst nicht mehr nur um das Wohl von Tieren und Pflanzen, sondern darum, zu verhindern, dass die Menschheit nicht zum Verlierer ihrer eigenen Lebensweise wird.“
Gewinner 2024
Luchse: Der Iberische Luchs wurde 2024 in der Internationalen Roten Liste von der Kategorie „Stark gefährdet“ auf „Gefährdet“ herabgestuft. Hinter dieser Neubewertung steckt eine Erfolgsstory des Artenschutzes: Die Population der Tiere, die nur in Portugal und Spanien leben, ist exponentiell gewachsen. 2001 waren es 62 fortpflanzungsfähige Exemplare. Aktuell sind es über 2.000 Exemplare (inklusive Jungtiere). Der Iberische Luchs ist damit die erste Art, die in nur 21 Jahren zwei Bedrohungskategorien auf der Liste hinaufklettert. Denn damals fiel er sogar in die Kategorie „vom Aussterben bedroht“ und war eine der seltensten Wildkatzenarten der Welt. Seit 2002 setzt sich der WWF mit anderen Partnern in Feldprojekten und Zuchtprogrammen für die Art ein. Doch auch seinen Verwandten in Deutschland geht es wieder besser. Die hierzulande heimische Population des Eurasischen Luchses erhält durch Auswilderungen in Baden-Württemberg und durch ein 2024 neu gestartetes Projekt in Thüringen neuen Zuwachs. Nun ruht die Hoffnung darauf, dass die 2024 in die Natur entlassenen Tiere bald zahlreich Nachwuchs bekommen. Kritischer steht es allerdings noch um die Luchspopulationen in Österreich und der Schweiz.
Meeresschildkröten: Die Population der Unechten Karettschildkröte erholt sich im Mittelmeer. Dank Schutzmaßnahmen wie der Reduzierung von Beifang und dem Erhalt von Niststränden können dort immer mehr Schildkröten überleben und sich fortpflanzen. Auf der griechischen Insel Zakynthos wurde 2024 ein Rekord von über 1.200 Nestern am WWF-geschützten Sekania-Strand gemeldet. Trotz anhaltender Klimakrise und Plastikmüllverschmutzung zeigt dieser Erfolg, wie gezielte Maßnahmen lokale Bestände stärken können.
Seeadler: Der größte europäische Greifvogel war einst in vielen Ländern Europas verbreitet. Doch schon um 1900 hatte ihn der Mensch fast vollständig ausgerottet. Heute leben in Deutschland wieder über 1000 Brutpaare – auch, weil sich der WWF schon früh für den Schutz des „Königs der Lüfte“ eingesetzt hat. Bereits 1968 rief der WWF Deutschland das „Projekt Seeadlerschutz“ in Schleswig-Holstein ins Leben. Von Deutschland aus kehrt der Vogel derzeit auch in viele Nachbarländer wie Dänemark oder die Niederlande zurück. Und aktuell sieht es auch in Österreich wieder besser für den Seeadler aus: 70 Brutpaare konnten hier 2024 gezählt werden. Zehn mehr als im Jahr davor. Außerdem setzt sich der WWF für die Erforschung und den Schutz der nördlichsten Seeadlerpopulation in Europa ein, nämlich in Grönland. Dort leben derzeit noch 150 Brutpaare.
Siam-Krokodil: Im Sommer 2024 haben Ranger in einem kambodschanischen Schutzgebiet über 100 Eier der vom Aussterben bedrohten Krokodilart entdeckt, aus denen wenig später rund 60 Kroko-Babys schlüpften. Es handele sich um den größten Nachweis für Fortpflanzung der Art in freier Wildbahn seit zwei Jahrzehnten. Schätzungen zufolge gibt es weltweit nur noch etwa 1000 wildlebende Exemplare, davon 300 in Kambodscha. Der Bestand der Siam-Krokodile ist vor allem durch Wilderei und den Verlust ihres natürlichen Lebensraums immer weiter geschrumpft.
Thunfisch: In der Nordsee tauchen wieder vermehrt Blauflossen-Thunfische auf. Durch Überfischung waren sie lange Zeit verschwunden. Strenge Fangverbote und die Bekämpfung illegaler Fischerei sorgen dafür, dass die Population, die im Nordostatlantik wandert und im Mittelmeer laicht, wieder auf ein gutes Niveau anwachsen konnte. Auch Giganten mit über 300kg und knapp 3 m Länge wurden inzwischen bei uns gesichtet. Die Bestandsentwicklung wird durch Wissenschaftler weiter beobachtet, um eine langfristige Erholung sicherzustellen.
Tiger: Erfreuliche Nachrichten gibt es auch für den Tiger, nachdem die Tierart bereits 2023 ein Gewinner war. Ein im Sommer gestartetes Wiederansiedlungsprojekt soll die Großkatzen nach Kasachstan zurückbringen. Dort sind sie seit über 70 Jahren ausgestorben. Positive Nachrichten auch aus Südostasien: Kamerafallenbilder von Tigern in Nordmyanmar sind der erste Nachweis in der Region seit 2018. Im Nachbarland Thailand zeigt der Bestandstrend klar nach oben: Laut offizieller Zählung verzeichnet das Land einen Anstieg der wildlebenden Tigerpopulation auf 179 bis 223 Tiere. Bei der letzten Zählung im Jahr 2022 waren es schätzungsweise nur 148 bis 189 Exemplare.
Verlierer:
Banteng: Das südostasiatische Dschungel-Rind wird in der Internationalen Roten Liste ab sofort als “vom Aussterben bedroht” eingestuft. Der weltweite Bestand schrumpfte in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 80 Prozent. Grund dafür sind vor allem illegale Jagd und Lebensraumverlust. Expert:innen schätzen die Population auf nur noch etwa 3300 Tiere. Gleichzeitig zeigt die aktuelle Version der Roten Liste aber auch, dass Schutzmaßnahmen Wirkung zeigen. So konnte sich die Population des Banteng in Thailand erholen - nicht zuletzt aufgrund jahrzehntelanger Schutzbemühungen des WWF. Doch die größer werdenden Banteng-Herden in Thailand können die Verluste in anderen Regionen nicht kompensieren.
Brillenpinguine: Wie rasant eine Tierart an den Abgrund des Aussterbens geraten kann, zeigen die Brillenpinguine. Die afrikanische Pinguinart wird seit diesem Jahr als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Während es 1956/57 noch 141.000 Brutpaare gab, werden jetzt nur noch ca. 9.900 Paare gezählt. Hauptproblem ist wahrscheinlich das fehlende Nahrungsangebot aufgrund kommerzieller Fischerei und klimabedingte Verschiebungen der Fischbestände, die in andere Meeresregionen abwandern, die die brütenden Pinguine nicht mehr erreichen. Ölverschmutzung, Unterwasserlärm und die Vogelgrippe verschärfen die Lage zusätzlich.
Igel: Die Zahl der Westeuropäischen Igel, auch Braunbrustigel genannt, geht stark zurück. Die Art wird jetzt als “potenziell gefährdet“ eingestuft. Insbesondere die Zerstörung ländlicher Lebensräume durch Intensivierung der Landwirtschaft, Straßen und Stadtentwicklung sowie tödliche Unfälle führen zu einem beständigen Rückgang. Der Westeuropäische Igel kommt in weiten Teilen Mitteleuropas vor, unter anderem in Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Großbritannien. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist die Anzahl in ausgewählten Ländern nach Schätzungen um 16 bis 33 Prozent zurückgegangen. In Bayern ist es sogar ein Rückgang um 50 Prozent. Gesicherte Angaben über die Gesamtzahl der Igel gibt es derzeit allerdings nicht.
Korallen: In den Korallenriffen der Erde vollzog sich 2024 eine Tragödie unermesslichen Ausmaßes. Die Klimakrise führt zu Rekordtemperaturen im Wasser, durch die in den tropischen Meeren der ganzen Welt die Korallenriffe bleichen. Die Unterwasserwälder der Meere stehen förmlich in Flammen. Hält dieser Zustand länger an, drohen große Teile dieser ikonischen Lebensräume abzusterben. Im australischen Great Barrier Reef stellten Wissenschaftler bei Untersuchungen von zwölf Teilriffen bereits Sterblichkeitsraten von bis zu 72 Prozent fest. Laut Roter Liste sind 44 % aller Riffkorallenarten akut bedroht. Der einzige Ausweg aus dieser fatalen Entwicklung ist sofortiger, wirksamer Klimaschutz. Mit den Riffen würde nicht nur ein wichtiger Lebensraum verloren gehen, sondern auch die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen, die von der Fischerei und vom Tourismus leben.
Borneo-Elefant: Von der kleinsten Unterart des Asiatischen Elefanten leben nur noch rund tausend Tiere in freier Wildbahn. Der auf der südostasiatischen Insel Borneo lebende Zwergelefant wurde 2024 in die Rote Liste der IUCN als „stark gefährdet“ aufgenommen. Die Population ist in den vergangenen 75 Jahren aufgrund der intensiven Abholzung der Wälder Borneos zurückgegangen, die den Großteil des Lebensraums der Elefanten zerstört. Es war das erste Mal, dass die IUCN den Borneo-Elefanten einzeln als Unterart der Asiatischen Elefanten untersuchte.
Wolf: Der Europarat hat im Dezember den Schutzstatus des Wolfs in Europa herabgestuft. Der zuständige Ausschuss folgte damit ohne wissenschaftliche Grundlage einem Antrag der EU-Staaten. Auch Deutschland hatte diesen unterstützt. In Deutschland leben derzeit rund 200 Wolfsrudel. Die Art ist damit weiterhin auch in Deutschland noch nicht in einem sogenannten „günstigen Erhaltungszustand“. Für „Problemwölfe“, die trotz hoher Zäune Nutztiere reißen, gibt es bereits rechtskonforme Regelungen zum Abschuss. Das wirksamste Mittel zur Verringerung von Nutztierrissen bleibt jedoch ein effektiver Herdenschutz. Es ist entscheidend, gezielt und unbürokratisch in die Unterstützung von Weidetierhaltern zu investieren, um Konflikte mit Wölfen zu minimieren, anstatt auf undifferenzierte Jagd zu setzen, die das Problem nur verschärfen würde.