Der WWF kritisiert die angekündigte Marine Stewardship Council (MSC)-Zertifizierung einer industriellen Fischmehl-Fischerei in der Nordsee und hat formell Einspruch dagegen eingereicht. Aus Sicht der Umweltschützer offenbaren sich in dem Fall strukturelle Mängel und eine Fehlinterpretation des Nachhaltigkeitsstandards, die sich negativ auf die Biodiversität der Nordsee auswirken können. Die dänisch-schwedische Fischerei auf Sandaal, Sprotte und Stintdorsch war schon einmal unter Verbesserungsauflagen MSC-zertifiziert. Nach fünf Jahren lief die Zertifizierung aus, ohne dass die Auflagen, die Überfischung verhindern sollen, erfüllt wurden. Nach zweijähriger Pause soll die Fischerei jetzt mit denselben Auflagen wieder für fünf Jahre in das MSC-Programm aufgenommen werden.
„Dieses absurde Schauspiel enthüllt große Schlupflöcher im MSC-Standard: Erstens ist der betroffene Sprottenbestand in der Zwischenzeit kollabiert. Zweitens dürfte sich die Fischerei mit dem MSC-Siegel schmücken, obwohl sie ihre Hausaufgaben in den letzten sieben Jahren nicht gemacht hat. Drittens fischen diese industriellen Trawler in Meeresschutzgebieten. Diese Kombination hat kein Nachhaltigkeitszertifikat verdient“, sagt Dr. Philipp Kanstinger, Fischereiexperte des WWF Deutschland. „Es ist ein Armutszeugnis, dass es im MSC-Standard keine Rolle spielt, ob eine Fischerei in Meeresschutzgebieten operiert, wo besonders hohe Ansprüche an Umweltverträglichkeit gelten müssten. Dieser Widerspruch beschädigt die Glaubwürdigkeit des Siegels“.
Weil der Standard des Marine Stewardship Council zudem nicht korrekt angewendet wurde, gilt auch der theoretisch verankerte Schutz ökologisch wertvoller Schwarmfische in dieser angestrebten Zertifizierung wenig. Es wird in der Nordsee so viel gefischt, dass nicht genug Sandaale und Sprotten für das Ökosystem übrigbleiben. Als Nahrung für größere Raubfische wie Kabeljau, aber auch für Schweinswale, Robben und Seevögel sind die kleinen Schwarmfische unersetzlich. Werden Sandaal und Sprotte stark befischt, wirkt sich das negativ auf die marine Artenvielfalt der Nordsee aus. „Die Flotte entnimmt dem Ökosystem der Nordsee 200.000 Tonnen Fisch, mit dem dann auch der Zuchtlachs gefüttert wird, der im Supermarkt verkauft wird. So bekommen auch deutsche Verbraucher:innen die Folgen dieser Fischerei auf den Teller“, so Kanstinger. Der WWF fordert den MSC auf, den Schutz der kleinen, ökologisch wichtigen Fischarten in der Praxis sicherzustellen, statt nur auf dem Papier. Zudem muss der MSC den Schutz von Meeresschutzgebieten im Standard verankern. Die fragliche Fischerei muss außerdem zuerst ihre Hausaufgaben machen und die vor sieben Jahren erlassenen Auflagen erfüllen, wenn sie das Zertifikat tragen will.