Heute geht auf Jamaica die Frühjahrssitzung des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) zu Ende. Der WWF ist erfreut über die wachsende Anzahl von Staaten, die ein Moratorium oder eine vorsorgliche Pause für Tiefseebergbaupläne fordern. Gleichzeitig zeigt sich der WWF besorgt über den anhaltenden Druck anderer Staaten und einzelner Unternehmen, mit dem Tiefseebergbau zu beginnen sowie über die mangelnde Neutralität des ISA-Sekretariats.
Auf der Sitzung sprachen sich neben zahlreichen Nichtregierungsorganisationen auch Chile, Costa Rica, Ecuador, die föderierten Staaten von Mikronesien, Fidschi, Frankreich, Deutschland, Neuseeland, Palau, Panama, Samoa, Spanien und erstmals Vanuatu und Finnland für ein Moratorium, eine vorsorgliche Pause oder ein Verbot von kommerziellen Tiefseebergbauaktivitäten aus.
Der WWF begrüßt diesen Vorsorgeansatz und das wachsende Bewusstsein für die immensen Risiken, die mit einer Genehmigung des Tiefseebergbaus einhergehen würden. „Tiefseebergbau ist eine vermeidbare Umweltkatastrophe. Mühsam versuchen wir die Schäden des Rohstoffabbaus an Land einzudämmen. Die Ausbeutung der noch weitestgehend unberührten Tiefseelebensräume darf nicht der nächste Schritt sein. Wir brauchen deshalb ein Moratorium für Tiefseebergbau, bis ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und nachgewiesen ist, dass ein Abbau von mineralischen Ressourcen in der Tiefsee ohne Schäden der Meeresumwelt durchgeführt werden kann“, erklärt Tim Packeiser, Meeresschutzexperte beim WWF Deutschland.
Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen müssen die Staaten sicherstellen, dass die Meeresumwelt effektiv geschützt wird. Unter Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes erkennt der WWF allerdings nicht, wie dies bei einer potenziellen Genehmigung von großflächigen Rohstoffabbauvorhaben sichergestellt werden könnte.
Mit größter Sorge sieht der WWF somit auch, dass sich der Generalsekretär der ISA vermehrt in Entscheidungsprozesse einmischt und Position bezieht. Über diese mangelnde Neutralität des ISA-Sekretariats beschwerten sich im Laufe der Sitzung u.a. auch Deutschland und Costa Rica. „Der Generalsekretär hat seine Neutralität zu bewahren und keinen Einfluss zu nehmen auf die Beratungen in der Meeresbodenbehörde“, so Tim Packeiser.
Die Stimmung auf Jamaica ist angespannt, nachdem der pazifische Inselstaat Nauru im Jahr 2021 die so genannte Zwei-Jahres-Regel ausgelöst hat. Diese besagt, dass die ISA nach Ablauf von zwei Jahren einen Antrag auf Tiefseebergbau prüfen und ggf. genehmigen muss, selbst wenn innerhalb dieser Frist das Regelwerk für den Abbau von mineralischen Ressourcen (der sog. „Mining Code“) noch nicht final verabschiedet ist. Diese Frist läuft nun im Juli aus. Unter entsprechendem Zeitdruck versuchen die 36 im Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde vertretenen Staaten die Verhandlungen über das Regelwerk zu finalisieren. Doch auch zum Ende der Frühjahrssitzung bleiben zahlreiche Fragen ungeklärt. Parallel wird weiterhin debattiert, wie der Rat mit einem potenziellen Antrag auf Abbau von Ressourcen umgehen sollte, wenn der Mining Code zum Zeitpunkt einer Antragstellung noch nicht vereinbart wurde.
Als Hoffnungszeichen wertet der WWF, dass sich zahlreiche Staaten im Rahmen der Sitzung dafür ausgesprochen haben, auch nach Ablauf der 2-Jahres-Frist keine Tiefseebergbauanträge zu genehmigen, sofern noch kein Regelwerk vorhanden ist, welches den effektiven Schutz der Meeresumwelt gewährleistet
„Die Staaten der Internationalen Meeresbodenbehörde entscheiden über das Schicksal der Tiefsee. Angesichts der planetaren Krise, die der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltverschmutzung verursachen, darf die Gier nach Rohstoffen nicht über den Verstand siegen“, erklärt Tim Packeiser. „Das unter großem Beifall im März verabschiedete Abkommen zum Schutz der Hohen See darf nicht von unregulierten Tiefseebergbauaktivitäten untergraben werden.“
Der WWF ruft die Regierungen dazu auf, sich weiter in allen relevanten Organisationen und Gremien konsistent für die Gesundheit der Weltmeere einzusetzen. Erst wenn alle ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken bekannt und alle Alternativen zur Nutzung von Tiefseemineralien ausgeschöpft sind, der Bedarf an Rohstoffen aus der Tiefsee eindeutig belegt ist und umfassende Maßnahmen zum wirksamen Schutz der Meeresumwelt vereinbart sind, kann über Tiefseebergbaupläne nachgedacht werden.
Laut einem Bericht des WWF werden für den notwendigen Übergang zu einer Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe allerdings keine Mineralien aus der Tiefsee benötigt. "The Future is Circular" zeigt Wege auf, wie die Umstellung erfolgen kann, ohne die Tiefsee für den Bergbau zu öffnen. Die Nachfrage nach den sieben untersuchten kritischen Mineralien könnte durch Technologie, Recycling und Kreislaufwirtschaft um 58 Prozent reduziert werden.
Im Juli setzt die ISA die Verhandlungen fort.