Am Freitag stimmt der Bundesrat über einen Entschließungsantrag aus Rheinland-Pfalz zum Thema Lebensmittelverschwendung ab. Das Bundesland fordert unter anderem verbindliche Regeln zur Freigabe von unverkauften, für den Verzehr noch geeigneten Lebensmitteln für soziale Zwecke sowie innovative Ansätze zur Spende. Außerdem soll die Bundesregierung sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, die geltende Ausnahmeliste zur Mindesthaltbarkeit zu erweitern. Diese soll unter Beachtung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes um lang haltbare Erzeugnisse wie Nudeln, Reis oder Honig ergänzt werden. Die Umweltschutzorganisation WWF begrüßt die Initiative, fordert aber gleichzeitig von der Bundesregierung umfassendere Ansätze: eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – für Wirtschaftsbeteiligte auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen. Denn bis 2025 wollen Deutschland und die EU Lebensmittelabfälle um 30 Prozent reduzieren, bis 2030 um 50 Prozent.
Schon 2021 hat der Bundesrat auf Initiative Niedersachsens eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen eingefordert. Nun folgt aus Rheinland-Pfalz eine weitere Länderinitiative. „Die Initiativen bringen Bewegung in den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Von der Ampelkoalition gibt es außer dem verbalen Vorstoß beim Containern bisher keine Lösungsvorschläge. Eine verbindliche branchenspezifische Reduzierung von Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Lieferkette ist ein Versprechen aus dem Koalitionsvertag und längst überfällig“, kritisiert Elisa Kollenda, Referentin für nachhaltige Ernährung bei der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. Über die Hälfte der derzeit bundesweit anfallenden Lebensmittelabfälle ist vermeidbar. Vom Acker bis zum Teller sind dies pro Sekunde zwischen 217 und 313 Kilogramm.
Bereits vergangenen September hatte sich die Umweltschutzorganisation WWF in einem offenen Brief an Bundesminister Cem Özdemir gewandt. Das Schreiben benennt acht drängende politische Maßnahmen:
- Die Bundesregierung soll dem Beschluss des Bundesrates (aus 2021) zeitnah folgen und eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen umsetzen – für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen.
- Das BMEL soll für eine grundlegend bessere Datengrundlage entlang der gesamten Lieferkette sorgen. Dafür soll sie einen Indikator vorlegen, mit dem es möglich ist, die Lebensmittelabfälle über alle Stufen der Wertschöpfungskette zu quantifizieren und Reduzierungserfolge sichtbar zu machen. Die bestehende Berichterstattung auf Grundlage der Abfallstatistik ist unzureichend und gibt kaum Aufschluss über Reduktionserfolge innerhalb verschiedener Bereiche der Wertschöpfungskette.
- Die Bundesregierung soll eine bundesweit zuständige, unabhängige Kompetenzstelle im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung einrichten. Sie kann die Daten aus den einzelnen Bereichen systematisch erfassen und Unternehmen in den Lieferketten bestmöglich beim Erreichen ihrer Reduktionsziele unterstützen.
- Die Bundesregierung soll steuerliche Fehlanreize beseitigen. So ermöglicht es zum Beispiel das Handelsgesetzbuch derzeit, „Lebensmittelüberschüsse“ wie Backwaren-Retouren als Verluste steuerlich abzusetzen.
- Die Bundesregierung soll durch steuerliche Vergünstigung die Abgabe von Lebensmitteln, die trotz abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums weiterhin verzehrbar sind, erleichtern.
- Die Bundesregierung soll das Spenden von Lebensmitteln rechtssicherer machen und die zivil- und strafrechtliche Haftung bei der Spende von Lebensmitteln unter Berücksichtigung lebensmittelrechtlicher Vorgaben beschränken.
- Die Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für die Überprüfung der Regelungen zum Mindesthaltbarkeitsdatum einsetzen, insbesondere mit Blick auf einen Verzicht bei einzelnen Produktgruppen.
- Die Bundesregierung soll bei Wirtschaftsbeteiligten darauf hinwirken, dass Standards entfallen, die sich auf die bloße Optik der Lebensmittel beziehen. Auf EU-Ebene gesetzlich vorgegebenen Vermarktungs- und Qualitätsnormen sollen von zusätzlichen freiwilligen Qualitätsstandards besser unterscheidbar sein.