Wer vegetarische oder vegane Produkte auf den Grill legen will, der zahlt drauf. Das ist das Ergebnis des Grillfleischchecks 2023, den der WWF Deutschland zum Beginn der Grillsaison zum dritten Mal in Folge bei den großen deutschen Lebensmitteleinzelhändlern durchgeführt hat. Der Einzelhandel wirbt demnach vor allem mit (Schweine-)Steaks, Hähnchenschenkeln oder Grillwürsten. Insgesamt werden Fleischprodukte 20-mal häufiger beworben als Ersatzprodukte. Auch beim Preis liegt das Fleisch vorne: mit durchschnittlich 10,00 Euro je Kilo. Alternativen wie Tofuwurst oder Sojaburger liegen hingegen bei 11,64 Euro je Kilo, Käse 10,75 Euro je Kilo. Der niedrigste rabattierte Kilopreis lag bei 2,99 Euro für ein Kilogramm Hähnchenschenkel. Insgesamt spielten Haltungsformen keine Rolle: 93% des rabattierten Fleischs stammte aus schlechten Haltungsformen (Stufe 1 und 2). Billigst, aber auf Kosten von Tier, Natur und Mensch erzeugtes Fleisch dominiert demnach, so die WWF-Kritik, auch 2023 die Werbeprospekte.
„Der Lebensmitteleinzelhandel rabattiert an den Konsumentenwünschen vorbei“, kritisiert WWF-Ernährungsreferentin Elisa Kollenda. „Die Ernährungswende ist längst in der Bevölkerung angekommen. Das Jahr 2022 markiert ein Rekordtief beim Fleischkonsum unter den Deutschen. Gleichzeitig setzt der Einzelhandel wie gehabt seine Preis- und Werbeanreize fast ausschließlich bei Fleisch und Wurstwaren und verfehlt damit die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher. Aber gesundes und nachhaltiges Essen darf kein Privileg für Besserverdienende sein.“ Als Folge des Ukrainekriegs stiegen seit Juni 2021 die Lebensmittelpreise in Deutschland und in der Welt. Daher gewinnt das Preis-Thema laut einer WWF-Umfrage aus Mai 2023 an Bedeutung. In den elf teilnehmenden EU-Ländern, darunter auch Deutschland, nennen durchschnittlich 56 Prozent der Befragten den Preis als Grund dafür, keine nachhaltigen Lebensmittel zu konsumieren.
Die Zahl der rabattierten und beworbenen vegetarischen Grillprodukte ist im Vergleich zum Vorjahr um fast 45 % zurückgegangen. Bei der Umstellung hin zu einem nachhaltigeren Grillsortiment hat der Handel somit noch „viel Luft nach oben“. Die Preisentwicklung und vergleichsweise höhere Kosten für nachhaltige Produkte gefährden nach WWF-Einschätzung den Positivtrend zu einer nachhaltigeren Ernährung. Auch den Handel sieht der WWF beim Thema nachhaltiger Ernährung in der Verantwortung – dieser kommt er allerdings nach Einschätzung der Naturschutzorganisation nicht nach. Kurzfristig sollte daher, so die Forderung des WWF, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abgesenkt werden, wie von der EU-Kommission ausdrücklich erlaubt. Derartige Maßnahmen sollen helfen, dass steigende Lebensmittelpreise nicht zu Mangel- oder Fehlernährung führen. Das war zuletzt in der Finanzkrise 2008 der Fall, als Haushalte weniger Obst und Gemüse kauften und auf eher kalorienreiche, nährstoffarme Lebensmittel umstiegen. „Nachhaltige und gesunde Ernährung ist eine drängende soziale Frage und ein Recht für alle. Der Markt allein richtet es augenscheinlich nicht. Uns ist daher unbegreiflich, warum ausgerechnet die deutsche Bundesregierung, anders als viele europäische Nachbarländer, eine derartige Steuersenkung nicht umsetzt,“ so Kollenda.
Hintergrund: Methodik der WWF-Rabattanalyse 2023
Die Rabattanalyse wurde im Zeitraum vom 24.04. bis 20.05.2023 durchgeführt. Das entspricht dem Zeitraum unserer Grillfleisch-Rabattanalysen der beiden vergangenen Jahre. Insgesamt wurden 54 Werbeprospekte von Supermarktfilialen in mehreren Städten Deutschland untersucht. Dabei wurden die größten Lebensmitteleinzelhändler, sofern diese Rabattprozente in ihren Prospekten ausweisen, nämlich ALDI Nord, ALDI SÜD, EDEKA, Lidl, Netto, Norma, Kaufland und REWE. Neben den Preisen und Rabatten auf Grillfleisch wurden die Angebote für Grillkäse, Feta, Brot, Grillsoßen und grillbare Fleischersatzprodukte erhoben und verglichen. Als Fleischersatzprodukt wurden pflanzliche Produkte begriffen, die wie Fleisch aussehen und schmecken sollen sowie zur Zubereitung auf dem Grill gedacht sind. Dazu zählen etwa Burger oder Würstchen auf Basis von Erbsenprotein, Soja oder Tofu.