Berlin, 6.6.2023: Die dreißig CO2-intensivsten Industrieanlagen in Deutschland verursachten im vergangenen Jahr 58 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Das zeigt ein neuer Bericht des Öko-Instituts im Auftrag des WWF Deutschland, der die Industrieemissionen von Anlagen im Emissionshandel (ETS) analysiert. Auf die “Dirty Thirty” entfielen 2022 rund ein Drittel der im Klimaschutzgesetz definierten Emissionen des Industriesektors und acht Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands.
„Der Industriesektor ist ein Schwergewicht beim CO2-Ausstoß und damit auch beim Klimaschutz. Ihn zu transformieren ist eine der wichtigsten Aufgaben für Politik und Wirtschaft. Nur so schützen wir Klima und Arbeitsplätze gleichermaßen. Leider wurde diese Aufgabe bisher nicht strukturell adressiert. Die Ampel muss nun liefern, was sie versprochen hat: eine umfassende Strategie zum Klimaschutz in der Industrie, die Planungs- und Investitionssicherheit schafft, so dass nicht nur die ‘dreckigen Dreißig’, sondern die gesamte deutsche Industrie Prozesse und Rohstoffnutzung schneller umstellt und einen Klimaschutzbeitrag leistet”, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland.
Die Emissionen des Industriesektors sind seit Einführung des europäischen Emissionshandels (ETS) mit Ausnahme von Krisensituationen nahezu konstant. Der ETS ist bislang das Hauptinstrument zur Dekarbonisierung des Industriesektors. Nur: “Durch die Vergabe kostenloser CO2-Zertifikate an die Industrie wurde das CO2-Preissignal abgeschwächt und der Anreiz, auf klimafreundliche Verfahren und Technologien umzustellen, entfiel. Nun hat man sich zwar auf ein Auslaufen der kostenlosen Zuteilung bis 2034 geeinigt, doch das ist zu spät. Umso entscheidender ist es, dass die Ampel jetzt liefert”, so Raddatz.
Der Analyse zufolge entfallen die ersten 13 Ränge der “Dirty Thirty” auf Anlagen der Eisen- und Stahlerzeugung. Die Spitzenposition nimmt ein Hüttenwerk von ThyssenKrupp in Duisburg ein mit 7,9 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022. Insgesamt gehen 47 Prozent der industriellen ETS-Emissionen auf das Konto von Eisen und Stahl (51 Millionen Tonnen). Aber auch in der Zement- und Chemieindustrie sind CO2-Emissionen hoch. Auf das Zementwerk in Rüdersdorf bei Berlin entfallen beispielsweise 1,1 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022. In Summe gehen 25 Prozent der industriellen ETS-Emissionen auf die Zement- und Kalkherstellung zurück (27 Millionen Tonnen), auf die Chemieindustrie 15 Prozent (14 Millionen Tonnen CO2). Unterm Strich hat die Industrie in Deutschland die zweithöchsten Emissionen nach der Energiewirtschaft.
„Für die Dekarbonisierung der Industrie braucht es regulatorische Leitlinien und Förderung, die auch kleinen Unternehmen zur Verfügung steht. Beim gern angeführten Schlagwort Technologieoffenheit gilt es, sich über Parteien und Branchen hinweg ehrlich zu machen: Was steht wo und wann tatsächlich im benötigen Maßstab zur Verfügung, Stichwort Wasserstoff? Und welche Technologien sind mitunter nur Deckmantel dafür, ein Weiter-So herbeizubeschwören, das letztlich allen schadet, Stichwort CCS und CCU?“, fragt Raddatz.
So dürfen laut WWF staatliche Fördergelder grundsätzlich nur in klimaschützende Maßnahmen fließen, insbesondere der Produktion von grünem Wasserstoff. Der Hochlauf von grünem Wasserstoff muss mit ausreichend Erneuerbaren-Kapazitäten unterfüttert sein, dafür braucht es auch eine gesamtheitliche Infrastrukturplanung. CCU und CCS sollte nur für nicht vermeidbare prozessbedingte Emissionen eingesetzt werden und nicht für prozess- und energiebedingte Emissionen, die durch Umstellung auf klimafreundlichere Prozesse vermieden werden könnten.
Die Vergabe von Subventionen und Entlastungen an die Industrie sollte grundsätzlich an Gegenleistungen geknüpft werden. Dazu gehören Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien und der verpflichtende Betrieb von Umwelt- oder Energiemanagementsystemen. Zudem sollten Unternehmen mittel- bis langfristige Transformationspläne vorlegen. Und nicht zuletzt muss die öffentliche Hand mit gutem Beispiel voran gehen und etwa bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge Klimaschutzkriterien berücksichtigen, etwa Treibhausgas-Grenzwerte.