Ab Montag verhandeln die Vereinten Nationen in New York in einer hoffentlich letzten Runde über das internationale Abkommen zum Schutz der Hohen See. Diese bedeckt mehr als die Hälfte unseres Planeten, liegt außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten und wird aufgrund fehlender Regulierungen massiv ausgebeutet. Nachdem die vorherige Verhandlungsrunde im August 2022 ohne Ergebnis blieb, fordert der WWF mit Nachdruck, dass sich die Staaten jetzt auf ein rechtsverbindliches globales Meeresschutzabkommen einigen.
„Unter lautem Beifall beschloss die internationale Staatengemeinschaft im Dezember auf der Weltnaturkonferenz in Montréal, mindestens 30 Prozent der weltweiten Meere bis 2030 unter Schutz zu stellen. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie es ernst meinen. Zwei Drittel des Ozeans liegen außerhalb nationaler Gewässer, wir brauchen also das Abkommen zum Schutz der Hohen See, um das Versprechen von Montréal einhalten zu können“, erklärt Karoline Schacht, Meeresschutzexpertin beim WWF Deutschland.
Während Länder in ihren Hoheitsgewässern eigenständig Schutzgebiete ausweisen können, fehlt dieses Mandat bisher auf der Hohen See. Das Abkommen würde diese Rechtslücke schließen und Zuständigkeiten und Verfahren zur Einrichtung vernetzter Meeresschutzgebiete in Regionen schaffen, die außerhalb von nationalen Gerichtsbarkeiten liegen. Es muss außerdem geeignete Leitplanken zum Schutz der Natur vor schädlichen Aktivitäten wie nicht nachhaltiger Fischerei oder Tiefseebergbau setzen. Der WWF fordert, dass alle Aktivitäten auf ihre Auswirkungen in der Hohen See untersucht werden müssen – vor allem unter Berücksichtigung von kumulativen Effekten sowie Wechselwirkungen mit den Folgen der Klimakrise. Außerdem braucht es eine Verwaltung, die dafür sorgt, dass die gemeinsamen Ressourcen der Hohen See erhalten und gerecht sowie nachhaltig genutzt werden.
Für die Gesundheit und Funktionalität der Meere spielt die Hohe See eine entscheidende Rolle. Sie ist der größte Lebensraum auf unserem Planeten, Hunderttausende von Arten sind auf sie angewiesen. Als CO2-Senke mildert sie die Auswirkungen der Klimakrise und liefert gleichzeitig Sauerstoff. Auch für die Fischerei ist sie von großer Bedeutung. Die Ozeane leiden allerdings immens unter Überfischung und illegaler Fischerei, Zerstörung von Lebensräumen, Plastik- und Lärmverschmutzung sowie zunehmender Versauerung. 25 Prozent der in der Hohen See bekannten Arten sind bereits bedroht.
Einer der entscheidenden Knackpunkte für das Zustandekommen des Abkommens ist die globale Gerechtigkeit. Die Länder im globalen Norden - und damit auch Deutschland - müssen den Ländern der Südhalbkugel verbindliche Zusagen für einen finanziellen Vorteilsausgleich aus der Nutzung mariner genetischer Ressourcen sowie für den Kapazitätsaufbau und Technologietransfer machen. Basis dieser Zusagen muss sein, dass der entstehende Profit aus der Nutzung von Allgemeingut auch allen zusteht. Zudem können sich die Länder im globalen Süden nur mithilfe von entsprechenden Mitteln und Kapazitäten an den Maßnahmen zum Schutz der Hohen See beteiligen.
„Die Länder müssen jetzt Eigeninteressen zurückstellen und ihre moralische Verantwortung für die Hohe See und die Gesundheit der Ozeane als Ganzes annehmen. Alle Seiten müssen den Mehrwert für die globale Gesellschaft in diesem Abkommen erkennen, damit nach rund 20 Jahren Verhandlungen endlich der Durchbruch gelingt. Nur so lässt sich der dramatische Verlust der Lebensvielfalt noch in diesem Jahrzehnt umkehren,“ betont Karoline Schacht.
Zum Hintergrund:
Die fünfte Regierungskonferenz (IGC5) zur Aushandlung eines rechtsverbindlichen Abkommens fand im vergangenen August statt, wurde aber am letzten Tag vertagt, weil zu viele Fragen ungeklärt waren. Die Konferenz wird vom 20. Februar bis zum 3. März 2023 im UN-Hauptquartier in New York zu den hoffentlich letzten Gesprächen zwischen den Regierungen wieder aufgenommen.