Am Sonntag beginnen die Verhandlungen der EU-Fischereiminister:innen zu den Fangmengen für den Atlantik und die Nordsee im Jahr 2024. Gleichzeitig laufen Gespräche mit den Drittländern Großbritannien und Norwegen, um über den Zugriff auf gemeinsam genutzte Fischbestände in der Nordsee zu diskutieren. Der WWF appelliert an die Minister:innen, kleine Schwarmfische wie Sandaal, Hering und Sprotte besser zu schützen, damit sie als Nahrungsgrundlage für Raubfische, Seevögel und marine Säuger erhalten bleiben. „Die maximale Ausbeutung der Fischbestände für uns Menschen darf nicht das Ziel dieser Verhandlungen sein“, mahnt Philipp Kanstinger, Fischereiexperte beim WWF Deutschland.
Gerade bei kleinen Schwarmfischen muss die EU die Fangmengen vorsichtiger ansetzen. Sie spielen im Meer eine elementare Rolle als Nahrungsgrundlage für größere Raubfische, Seevögel und Säugetiere wie Robben und Delfine. Die Fangmengen sind grundsätzlich sehr hoch, obwohl es schwierig ist vorherzusagen, wie viel Fisch im nächsten Jahr vorhanden sein wird. Zudem hat die Klimakrise unkalkulierbare Auswirkungen auf diese Bestände. „Die Politik muss das ganze Ökosystem berücksichtigen, sonst droht ein Kollaps. Der Zusammenbruch der Heringsbestände in der westlichen und zentralen Ostsee ist ein warnendes Beispiel”, erklärt Philipp Kanstinger.
Die EU ist eigentlich bereits verpflichtet, ein ökosystembasiertes Fischereimanagement umzusetzen und die Bedürfnisse der Natur besser zu berücksichtigen. In den letzten Jahren haben die Fischereiminister:innen begonnen, sich häufiger an die Fangempfehlungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) zu halten. Vor allem bei den Schwarmfischen reicht das laut WWF aber noch nicht aus, da in der Berechnung dieser Empfehlungen die Komplexität des Ökosystems Meer noch nicht ausreichend berücksichtigt ist. Sie zielen bei den kleinen Schwarmfischen noch immer auf die maximale Befischung für den menschlichen Bedarf ab. „Die Fangmengen für Sprotte, Sandaal und Stintdorsch sind bislang zu hoch. Die Industrie fischt im großen Stil Sandaale und Sprotten. Statt in den Mägen von Seevögeln und Wildfischen enden sie dann als Tierfutter in der Lachszucht und Schweinemast “, kritisiert Kanstinger.
Der WWF fordert deshalb von den Fischereiminister:innen der EU, sich für einen ökosystembasierten Ansatz zur Berechnung der ICES-Fangempfehlungen einzusetzen und bei den diesjährigen Entscheidungen bei den kleinen Schwarmfischen unter den empfohlenen Maximalmengen zu bleiben.
Außerdem muss die EU bei den Verhandlungen mit Drittstaaten als konstruktiver und fairer Partner auftreten und eine umweltverträgliche Einigung erarbeiten. „Fische kennen keine Grenzen. Nur gemeinsam können wir die Überfischung und den Verlust biologischer Vielfalt eindämmen und unsere Lebensgrundlage erhalten“, so Philipp Kanstinger.
Neben der Überfischung muss auch die Grundschleppnetzschleppnetzfischerei reduziert werden, um wichtige Lebensräume am Meeresgrund, zum Beispiel die Laichgebiete des Herings, zu schützen.