Berlin, 11.10.2022: Derzeit belegt der Anbau von Futtermitteln 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands. Über die Hälfte der Deutschen – 51,4 Prozent – fordert von der Bundesregierung wirksame Maßnahmen, um diesen Anteil zugunsten einer stärkeren Ernährungssicherheit zu senken. 28,2 Prozent sprechen sich gegen entsprechende Maßnahmen aus. 20,4 Prozent der Befragten sind noch unentschieden. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag des WWF. Die Umweltschutzorganisation fordert von der Bundesregierung mehr Engagement, um die Nutztierbestände in Deutschland zügig zu verkleinern. „Für die Welternährung brauchen wir mehr Korn und weniger Corned Beef“, so Dr. Rolf Sommer, Fachbereichsleiter Landwirtschaft und Landnutzungswandel beim WWF Deutschland.
„Das Verhältnis von Lebens- und Futtermittelproduktion ist aus den Fugen geraten. Die Zahl der Schweine, Rinder und Hühner hierzulande muss sinken, damit Fläche frei wird, um für den direkten menschlichen Verzehr mehr Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst anzubauen. Damit würde Deutschland einen Beitrag zu Sicherung der Ernährung weltweit und in Europa leisten“, so Rolf Sommer.
In der Nutztierhaltung werden mehr pflanzliche Kalorien verfüttert als Kalorien bei den tierischen Erzeugnissen entstehen. Und für die Produktion von 100 Gramm fleischlichem Protein benötigt man sechs- bis siebenmal mehr landwirtschaftliche Fläche als für die Produktion von 100 Gramm Sojaprotein, so die Umweltschutzorganisation. Die Länder der EU führen derzeit mehr Kalorien und Proteine ein – 11 und 26 Prozent – als sie in andere Regionen ausführen. Deutschland hat Anteil an dieser Negativbilanz.
„Fleisch und Milchprodukte im großen Ausmaß für den Export zu erzeugen, schadet der Welternährung eher. Derzeit sind wir der teure Supermarkt, nicht die Kornkammer der Welt“, findet Sommer vom WWF.
Mehr Engagement der Bundesregierung fordert die Umweltschutzorganisation auch beim Wandel der deutschen Ernährungsgewohnheiten. Lebensmittel, die nachweislich klima- und umweltschädlich sind – wie beispielsweise tierische Produkte – sollten höher besteuert werden als umweltverträglichere Produkte – wie beispielsweise Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. „Der nachhaltigere und gesündere Einkauf darf nicht länger der teurere Einkauf sein. Gesundes, nachhaltiges Essen ist ein Grundrecht für alle“, sagt Rolf Sommer vom WWF.
Zur Umfrage: Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag von WWF zwischen dem 28. und 29. September 2022 2.501 Personen befragt. Die Frage lautete: „60% der deutschen Agrarflächen wird für den Anbau von Tierfutter verwendet. Sollte die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um diesen Anteil zu senken und die Ernährungssicherheit zu stärken?“
Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 3,5 Prozent.
Hintergrund Welternährung und Deutschland:
Laut Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) ist die Zahl der weltweit an Hunger leidenden Menschen 2021 weiter gestiegen. Somit waren zwischen 702 Millionen und 828 Millionen Menschen von Hunger betroffen. Mit dem Angriff auf die Ukraine hat sich die Versorgungslage 2022 weiter verschärft. Neuere Zahlen stellt die Welthungerhilfe am 13. Oktober im Welthunger-Index 2022 vor.
60 Prozent der gesamten deutschen Agrarflächen werden für den Anbau von Nutztier-Futter verwendet. Das sind ungefähr 10 Millionen Hektar Fläche. Allein rund 60 Prozent des in Deutschland angebauten Getreides werden jedes Jahr für die Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere verbraucht.
Um seinen Bedarf an Soja zu decken, belegt Deutschland weltweit 2,94 Millionen Hektar an landwirtschaftlicher Fläche – 96 Prozent dieser Flächen werden für die Erzeugung von Sojaschrot als Futtermittel zur Erzeugung tierischer Produkte, wie zum Beispiel Fleisch oder Milch, benötigt.
Allein für die Herstellung von in Deutschland verbrauchten Agrokraftstoffen wird zudem weltweit eine landwirtschaftliche Fläche von rund 2,5 Millionen Hektar belegt. Sie steht damit für die menschliche Ernährung nicht zur Verfügung.