Trotz der dramatischen Umweltkatastrophe an der Oder soll an den höchst umstrittenen Ausbauplänen zur Einengung des Flusslaufs und zur Befestigung der Ufer im Unterlauf des Flusses festgehalten werden. Ein Bündnis aus deutschen und polnischen Umweltverbänden – die Naturschutzstiftung EuroNatur, der BUND und die polnische Eko-Unia, legen deshalb nun stellvertretend für die beiden Oder-Bündnisse „Aktionsbündnis Lebendige Oder“ und „Koalicja Ratujmy Rzeki“ eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Sie richtet sich gegen die polnischen Planungen zum Ausbau der Grenzoder und die seit März laufenden Arbeiten. Der Ausbau der Oder verstößt aus Sicht der Umweltorganisationen gegen europäisches Umweltrecht: Gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), wonach sich der ökologische und chemische Zustand von Gewässern nicht verschlechtern darf, gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) sowie gegen die Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Der WWF Deutschland unterstützt die Beschwerde als Neben-Beschwerdeführer (“Supporting Complainant”).
Der WWF-Gewässerexperte Tobias Schäfer sagte: „Uns allen sind die dramatischen Bilder vom Fischsterben in der Oder in Erinnerung. Der Fluss hat durch die vom Menschen zu verantwortende Umweltkatastrophe massiven Schaden davongetragen. Der Ausbau auf polnischer Seite ist das Gegenteil davon, was die Oder braucht, um zu genesen: Mehr Naturnähe. Das ist auch die Empfehlung deutscher wie polnischer Wissenschaftler. Der derzeit vorangetriebene Bau von Buhnen stellt einen schweren Eingriff dar, der dramatische ökologische Folgen für das Flussökosystem hat. Insgesamt laufen die polnischen Planungen auf eine Kanalisierung der Oder hinaus und sind völlig aus der Zeit gefallen. Sie stellen in unseren Augen eklatante Verstöße gegen EU-Umweltrecht dar. Wir gehen daher fest davon aus, dass die EU-Kommission die Beschwerde aufgreifen wird. Zudem erwarten wir auch vom Bundesverkehrsministerium endlich eine Reaktion dazu, dass der Ausbau der Oder auf polnischer einseitig vorangetrieben wird und wie sich der Ausbau auf die Hochwassergefahr auf deutscher Seite auswirkt. “
Hintergrund: Die EU-Kommission überwacht als „Hüterin der Verträge“ die Einhaltung des Unionsrechts. Sehen Privatpersonen oder Nicht-Regierungs-Organisationen Unionsrecht verletzt, können sie bei ihr Beschwerde einlegen. Ist die Kommission von der Beschwerde überzeugt, leitet sie ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren ein.