Wasserkraftwerke haben oft verheerende Auswirkungen für die lokale Bevölkerung und die Natur. Durch die Klimakrise können sie ihren eigentlichen Zweck – die Stromerzeugung – vielerorts bald nicht mehr zuverlässig erfüllen. Das ergibt eine WWF-Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Water veröffentlicht wurde und auf dem WWF Wasserrisikofilter beruht. Demnach liegen im Jahr 2050 61 Prozent der Wasserkraftwerke weltweit in Regionen, in denen durch die Klimakrise ein hohes bis extrem hohes Risiko für Wasserknappheit und oder Überschwemmungen herrscht. Starkregen oder Dürreperioden könnten die Stromproduktion dann erheblich verringern und die Turbinen im Extremfall sogar lahmlegen. Außerdem ist der Ausbau der Wasserkraft eine reale Gefahr für die Artenvielfalt: 80 Prozent der Staudämme, die gerade geplant werden, befinden sich in Gebieten mit hoher Süßwasser-Biodiversität, so die Studie.
Philipp Wagnitz, Leiter Ökosysteme und Ressourcenschutz beim WWF Deutschland kommentiert: „Wasserkraft ist nicht nachhaltig. Staut man einen Fluss, ist das Ökosystem erstmal kaputt. Fische verlieren ihren Lebensraum oder werden in Turbinen getötet. Das können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten, denn nahezu ein Drittel aller Süßwasserfische sind vom Aussterben bedroht – allein im Jahr 2020 starben 16 Arten aus. Unsere Studie zeigt dazu: Wasserkraft ist in vielen Regionen in Zukunft keine verlässliche Energieform. Viel besser fahren wir mit Alternativen wie Wind und Solar. Jeder geplante Staudamm sollte vor dem Hintergrund der Studie dringend kritisch hinterfragt werden.“
Der WWF setzt sich für alternative Ansätze in der Stromversorgung ein, beispielsweise in Tansania. Dort bedroht ein geplanter Megastaudamm das UNESCO-Weltnaturerbe Selous. „Ein Himmelfahrtskommando“ nennt Wagnitz das geplante Wasserkraftwerk am Fluss Rufiji, das den Lebensraum von bedrohten Löwen und Elefanten aufs Spiel setzt. „Nicht nur die ökologischen, sondern auch die finanziellen Kosten pro Kilowattstunde Strom aus Solarenergie und Windkraft sind mittlerweile oftmals geringer als solche von Wasserkraftanlagen“, sagt Wagnitz.
Auch einige der Wasserkraftwerke in Deutschland könnten durch lange Niedrigwasserphasen und häufigere Hochwasserereignisse zukünftig zu unzuverlässigen Stromversorgern werden. Von den rund 4.250 bestehenden Wasserkraftwerken in Bayern liegen mehr als die Hälfte an Flüssen mit geringer Wasserführung (<1m³/s). Die Klimakrise verstärkt diesen Zustand, dadurch wird weniger Energie produziert, während gleichzeitig der ökologische Stress im Fließgewässer zunimmt. Der ist auch heute schon enorm: Die knapp 57.000 Barrieren in Bayerns Flüssen und Bächen, darunter Wehre, Abstürze und Sohlrampen, gelten als eine der Hauptursachen für das Schwinden flusstypischer Arten in unseren Fließgewässern. Um die Lage der bayerischen Flüsse zu verbessern, richtete unter anderen der WWF 2021 den „Weilheimer Appell“ an die Bayerische Staatsregierung. Die unterzeichnenden Verbände fordern darin, auf den Neubau von Wasserkraftanlagen zu verzichten und stattdessen einen Rückbaufonds aufzulegen, um unrentable Kleinstwasserkraftanlagen, baufällige Wehre und andere Barrieren konsequent und möglichst zügig zurückbauen zu können.