Zum Ende der am kommenden Montag ablaufenden Stellungnahmefrist forderte das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe den Hamburger Senat heute im Rahmen einer Pressekonferenz auf, seine Pläne zur Schlickverklappung im Wattenmeer aufzugeben. BUND, NABU und WWF haben sich die fast 700 Seiten umfassenden Unterlagen der Hamburg Port Authority (HPA) durchgesehen und kommen zu dem Schluss, dass die geplante Schlickdeponie weder rechtlich zulässig noch aus Naturschutzsicht verantwortbar ist. Die Verbände betonen dabei, dass ihre Stellungnahme nur die besonders gravierenden Bedenken aufgreift, da die von der Behörde vorgegebene Frist für den Umfang der Materialien deutlich zu kurz war und ein Teil der Unterlagen erst vor wenigen Tagen zur Verfügung gestellt wurde. Auf einen Antrag auf Fristverlängerung hatte die HPA bis zum späten Donnerstagabend trotz mehrfacher Nachfrage nicht reagiert.
BUND-Geschäftsführer Lucas Schäfer wies bei der Pressekonferenz darauf hin, dass sich die vorgesehene Ablagerungsfläche in unmittelbarer Nähe von nach Europarecht geschützten Flora-Fauna-Habitat(FFH)-/ Natura2000- und EG-Vogelschutzgebieten befinde, sowie an der Grenze zum Nationalpark Wattenmeer und dem UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer. Hier sei grundsätzlich jeglicher Eintrag von Fremd- und Schadstoffen unzulässig. Dazu komme der Schutzstatus Weltkulturerbe Wattenmeer, der länderübergreifend als eine Einheit zu betrachten sei. Eine Gefährdung durch einen Hamburger Alleingang ohne Abstimmung mit den Nachbarbundesländern müsse daher ausgeschlossen werden.
„Dass der relativ kleine Bereich der Verklappungsfläche explizit von allen Schutzstatus ausgeschlossen wurde, ist absurd und nur der Anmaßung des Hamburger Senats und der Hafenwirtschaft zu verdanken. Die HPA setzt sogar darauf, dass die Schadstoffe verdünnt werden und in die benachbarten Schutzgebiete verdriften. Unser Weltnaturerbe ist aber keine Müllhalde“, der BUND-Geschäftsführer.
Die Ästuarexpertin des WWF, Beatrice Claus, geht davon aus, dass die Umweltauswirkungen einer Verklappung deutlich höher sein werden, als von den Gutachtern prognostiziert, da bereits die Modellannahmen von der tatsächlichen Verbringungsmethode abweichen. Zudem werde die Empfindlichkeit des Ökosystems im Zeitraum der Verklappung unterschätzt und die Anreicherung von Schadstoffen in den Nahrungsketten nicht ausreichend berücksichtigt. Das Baggergut enthalte Schwermetalle wie etwa Cadmium, Kupfer, Quecksilber, Zink sowie hoch problematische organische Schadstoffe wie DDT, Hexachlorbenzol und zahlreiche andere. Dazu komme, dass die Lebensgemeinschaften am Gewässergrund mit jedem Baggerschiff erneut mit Substrat überschüttet und damit massiv verändert oder zerstört würden.
Auch wenn die Schadstoffe von der Strömung verdünnt werden, gefährde deren Anreicherung in der Nahrungskette die hochsensiblen Lebensgemeinschaften des Wattemeeres. Schon jetzt wiesen die Eier der Seeschwalbenkolonie in der Außenelbe höchste Schadstoffbelastungen auf. Auch Brut- und Zugvögel wie der Knutt und Meeressäuger wie Schweinswale und Seehunde würden unter den Giften und der Veränderung ihres Lebensraumes leiden.
„Die Schadstoffkonzentrationen überschreiten die Grenzwerte internationaler Abkommen und gehören nach nationalen Vereinbarungen zur höchsten Schadstoffklasse 3. Das Verbringungskonzept der HPA, das aber darauf setzt, dass sich die Sedimente möglichst schnell und weiträumig verbreiten, ist Umweltpolitik aus den 70ern des letzten Jahrhunderts. Angesichts des grassierenden Artensterbens hat dies in der heutigen Zeit nichts zu suchen, schon gar nicht in international geschützten Gebieten“, so Beatrice Claus.
Für Malte Siegert, den Vorsitzenden des NABU Hamburg, ist die geplante Schlickverklappung vor Scharhörn dem föderalen Egoismus der Hamburger geschuldet, die nach der vorangegangenen Elbvertiefung ihre Probleme erneut auf Kosten von Umwelt und Natur durchsetzen wollen. Nur mit einer strategischen Kooperation der Seehäfen Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg könnten der Baggermengen substanziell reduziert werden.
„Ein konsequentes, klug koordiniertes und für Natur und Umwelt zielführendes Sedimentmanagement kann nicht gegen, sondern nur mit den Nachbarländern erfolgen. Mit seinem jetzigen Vorgehen in Sachen Scharhörn isoliert sich Hamburg in Sachen Hafenpolitik endgültig von den Nachbarländern. Das ist weder politisch sinnvoll noch für den desolaten Zustand der Elbe vernünftig“, so der NABU-Vorsitzende.
Aufgrund der umfassenden ökologischen und rechtlichen Bedenken gegen die geplante Schlickverklappung haben die Umweltverbände Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck von der Kanzlei Mohr Rechtsanwälte beauftragt, alle Möglichkeiten zu prüfen, das Vorhaben auf dem Rechtsweg zu verhindern.