Heute hat die EU-Kommission entschieden, zwei wesentliche Naturschutz-Komponenten der GAP, die ab 2023 gelten soll, um ein Jahr verschieben zu wollen. Dies betrifft die Regelung zu GLÖZ 7 (jährlicher Fruchtwechsel) als auch GLÖZ 8 (Bereitstellung von nichtproduktiven Flächen und Landschaftselemente). Begründet wird diese Entscheidung mit der weltweiten Knappheit an Getreide, die insbesondere durch den Krieg in der Ukraine und weltweite dürrebedingte Mindererträge bedingt ist. Dies kommentiert Johann Rathke, Koordinator für Agrarpolitik und Landnutzungspolitik bei WWF Deutschland:
„Die Verfügbarkeit von Getreide ist durch den Krieg in der Ukraine, aber auch durch klimabedingte Dürren in vielen Regionen der Welt höchst angespannt. Vor dem Hintergrund ist es richtig, dass die EU-Kommission alle Optionen prüft, um die Produktion von Getreide zu erhöhen. Die Entscheidung, den GLÖZ-7-Standard zum jährlichen Fruchtwechsel auszusetzen, ist einerseits nachvollziehbar angesichts der dramatischen Marktentwicklung. So kann ausnahmsweise Weizen auf Weizen angebaut werden. Allerdings steht sie im Wiederspruch zur Farm-to-Fork Strategie. Eine möglichst breite Fruchtfolge ist ein Garant für geringeren Schädlingsdruck und bessere Bodenfruchtbarkeit. Insbesondere letzteres ist bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels nicht hoch genug zu bewerten.
In die völlig falsche Richtung geht aber die Entscheidung, den GLÖZ 8-Standard für ein Jahr auszusetzen. Damit besteht die Möglichkeit, den ohnehin sehr geringen Anteil der sogenannten „nichtproduktiven Flächen und Landschaftselemente“, die für den Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft von elementarer Bedeutung sind, auf Null zu fahren. Gerade Brachen sind ein wichtiger Baustein für den Artenschutz. Der ökologische Schaden würde sich auf mehrere Jahre auswirken. Gleichfalls wäre der zusätzliche Getreideertrag gering.
Diese Entscheidung folgt mehr den Forderungen der Agrarlobby als dem wissenschaftlichen Konsens. Gleichzeitig lenkt sie von den eigentlichen Handlungsfeldern ab, um die Verfügbarkeit von Getreide zu erhöhen: Rund 60 Prozent des Getreides landen als Futtermittel im Trog, weitere 10 Prozent werden für die Energiegewinnung genutzt – vor dem Hintergrund der Ernährungskrise schwer nachzuvollziehen. Hier umzusteuern ist also bitternötig, um mehr Menschen mit einem Grundnahrungsmittel versorgen zu können.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sollte nun im Konsultationsverfahren für den Durchführungsrechtsakt deutlich machen, dass eine Verschiebung der GLÖZ-8-Regelung mehr Schaden als Nutzen bringt und deshalb darauf verzichtet werden sollte. Politische Entscheidungen sollten sich vor allem an der Wirksamkeit der politischen Instrumente ausrichten. Denn wir können es uns nicht leisten, landwirtschaftliche Produktion, Klima- und Biodiversitätsschutz gegeneinander auszuspielen.“