WWF: Mitgliedsstaaten und EU-Parlament müssen finalen Vorschlag zu Atom und Gas ablehnen

Die Europäische Kommission hat heute fossiles Gas und Atomkraft im Rahmen der EU-Taxonomie – dem „grünen“ Investitionsleitfaden der EU – in ihrem Rechtsakt als ökologisch nachhaltig eingestuft. Der finale Vorschlag ignoriert, dass fossiles Gas enorme Emissionen verursacht und Atomkraft eine Risikotechnologie ist, die hochradioaktiven Abfall erzeugt, für dessen Entsorgung es bisher keine sichere Lösung gibt. 
 
Dies führt zu einem Standard, der deutlich hinter schon bestehenden Marktstandards für grüne Investitionen zurückbleibt, und birgt die Gefahr, dass Milliarden Euro in diese schädlichen Technologien fließen. Erst vergangene Woche hatte die wissenschaftliche Expertengruppe der Europäischen Kommission den Entwurf der Kommission mit den Worten kritisiert, er stehe „nicht im Einklang mit der Taxonomie-Verordnung“ und berge die „ernste Gefahr, den nachhaltigen Taxonomie-Rahmen zu untergraben“.
 
Mit dem Kommissionsvorschlag sollen die Details der robusten EU-Taxonomie-Verordnung präzisiert werden, deren Artikel 19 vorschreibt, dass die Taxonomie-Kriterien auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, keine Sonderbehandlung für bestimmte Technologien vorsehen und leicht überprüfbar sein müssen. Die neuen Kriterien für fossiles Erdgas und Atomenergie verstoßen jedoch gegen jede dieser Anforderungen und sind daher nicht mit der Verordnung vereinbar.  Der WWF fordert das EU-Parlament und den Rat auf, den Vorschlag abzulehnen.
 
Laura Niederdrenk, Expertin für Sustainable Finance beim WWF Deutschland sagt: „In eine grüngewaschene Taxonomie mit Atomkraft und Erdgas wird der Finanzmarkt kein Vertrauen gewinnen. Klare, einheitliche und wissenschaftlich fundierte Kriterien sollten eigentlich größere Kapitalströme für den nachhaltigen Umbau mobilisieren. Den glaubwürdigen Kompass für den Finanzmarkt hat die EU-Kommission jedoch über Bord geworfen. Mit dieser Taxonomie verspielt die EU ihre Führungsrolle im Bereich der grünen Finanzen und sendet weltweit ein völlig fatales Signal. Die deutsche Bundesregierung im Rat und das Europäische Parlament können diese Entscheidung der EU-Kommission nicht einfach absegnen: Sie müssen diesen Rechtsakt ablehnen.“
 
Viele Investoren und Banken haben bereits deutlich gemacht, dass sie eine grüngewaschene Taxonomie nicht unterstützen – ein Rahmenwerk, das explizit dazu gedacht ist, nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten klar und transparent für Investoren zu identifizieren. Der heutige Rechtsakt spaltet den Finanzmarkt – entgegen dem Ziel der Taxonomie, die Ansätze der Märkte zu vereinheitlichen – und bremst die notwendige Transformation. 
 
Weiter kommentiert Sebastien Godinot, Experte für Sustainable Finance im Brüsseler Büro des WWF: „Die Europäische Kommission hat den europäischen Regierungen erlaubt, diesen Taxonomie-Rechtsakt in die Sackgasse zu führen – und dieses Fiasko wird ein riesiges Durcheinander auf den Finanzmärkten verursachen. Wissenschaftlich gesehen ist dieser Rechtsakt ein Betrug, der abgelehnt werden muss, um die Glaubwürdigkeit der gesamten EU-Taxonomie zu schützen. Kein Finanzinstitut sollte sich bei seinen Entscheidungen über nachhaltige Finanzierungen auf diesen Rechtsakt stützen, da sie sich damit den Risiken von Greenwashing, Reputationsschäden, gestrandeten Vermögenswerten, Lock-in und rechtlichen Komplikationen aussetzen würden."
 

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Julian Philipp

Pressesprecher, Berlin