WWF-Bericht: Bundesbank und Bafin machen erste Fortschritte bei Klima und Biodiversität, bleiben jedoch weit unter ihren Möglichkeiten, um einen transformativen Finanzsektor zu flankieren

Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden bleiben im internationalen Vergleich trotz erster Fortschritte bei der Transformation zu einer naturfreundlichen Netto-Null-Wirtschaft weit unter ihren Möglichkeiten. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen SUSREG-Berichts aus 44 Ländern, den der WWF jährlich veröffentlicht. Zum ersten Mal befasst sich der Bericht auch mit dem Versicherungssektor.
 
Die Ergebnisse zeigen, dass in fortschrittlichen Ländern einige positive Entwicklungen bei der Regulierung von Banken und Versicherungen sowie bei der Offenlegung/Berichterstattung zu verzeichnen sind: 

  • 88 Prozent der Länder haben Bankvorschriften und aufsichtliche Erwartungen erlassen, die Klimarisiken berücksichtigen (79 Prozent bei den Versicherungsvorschriften). Es wird zunehmend von den Finanz- und Marktaufsichtsbehörden erwartet, dass Klimaüberlegungen in die Geschäftsstrategien der Finanzinstitute sowie in ihre Entscheidungsprozesse und Richtlinien des Risikomanagements integriert werden. Weitergehende Umweltrisiken, einschließlich Naturschäden, werden jedoch immer noch nicht berücksichtigt.  
  • Die Forderung nach einer obligatorischen Offenlegung der Risiken, die sich aus den Auswirkungen der Klimakrise und der Transformation zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft ergeben, wird immer lauter (83 Prozent der Länder verlangen von den Banken die Offenlegung von Klimadaten). Doch die Offenlegung von Naturinformationen im weiteren Sinne hinkt hinterher. Die Messung und transparente Berichterstattung von Risiken allein reichen nicht aus, um einen Wandel in dem erforderlichen Umfang und Tempo zu erreichen.
  • Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden veröffentlichen zunehmend eigene Klima- und Nachhaltigkeitsstrategien und Fahrpläne. Viele von ihnen verfügen jedoch noch nicht über zeitgebundene Transformationspläne. Glaubwürdige, ehrgeizige und verbindliche Transformationspläne sind jedoch entscheidend, um den Klimaschutz zu beschleunigen, den Verlust der Natur aufzuhalten und Natur wiederherzustellen.

Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, sagt: „Wenn wir uns auch angesichts der extremen Preissteigerungen anschauen, wie wenig Ehrgeiz Staats- und Regierungschefs auf den Weltklima- und Weltnaturschutzkonferenzen in diesem Jahr gezeigt haben, werden die Zentralbanken, Aufsichts- und Regulierungsbehörden zur Abwehr zukünftiger Finanzmarktrisiken immer wichtiger. Sie müssen auch ihren Beitrag gegen die Klimakrise und für das Eindämmen des Biodiversitätsverlustes leisten. Die deutsche Bundesbank und Bafin haben zwar erste aufsichtliche Grundlagen für einen transformativen und nachhaltigen Finanzsektor gelegt. Insbesondere bei zwei Themen besteht jedoch noch dringender Nachholbedarf: Sicherung der Finanzstabilität unter Berücksichtigung von Naturabhängigkeit und Einfordern von Transformationsplänen in Wirtschaft- und Finanzsystem. Unternehmerische Offenlegungsanforderungen reichen dabei nicht aus. Es ist die originäre Aufgabe von Bundesbank und Bafin für Banken sowie Versicherungen robuste und eindeutige Leitplanken zur Finanzierung unserer Wirtschaft innerhalb planetarer Grenzen zu setzen. Finanzmarkt- und Preisstabilität sind zukünftig davon abhängig."
 
„Mit der Verabschiedung des Montreal-Abkommens, das die Welt dazu verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2030 zu stoppen und umzukehren, brauchen wir sofortige, koordinierte und konsolidierte internationale Maßnahmen, auch seitens der Zentralbanken, Aufsichts- und Regulierungsbehörden. Durch seine Rolle als Kapital-, Kredit- und Versicherungsgeber für die Realwirtschaft spielt das Finanzsystem eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen, naturfreundlichen und fairen Wirtschaft“, sagte Maud Abdelli, Leiterin der WWF-Initiative Greening Financial Regulation.
 
Der WWF fordert Zentralbanken, Finanzaufsichtsbehörden und Versicherungen auf: 

  • glaubwürdige, ehrgeizige Transformationspläne aufzustellen und umzusetzen, um den Klimaschutz zu beschleunigen, den Naturverlust zu stoppen und Natur wiederherzustellen. Die Transformationspläne müssen den Akteuren auf den Finanzmärkten die nötige Klarheit und Orientierung bieten und klare quantifizierbare, rechtlich verbindliche Klima- und Biodiversitätsziele für 2025, 2030 und 2050 enthalten, die alle Aktivitäten der Zentralbanken, der Finanzregulierung und der Aufsicht umfassen.
  • sicherzustellen, dass die Geldpolitik und die Finanzregulierung die wirtschaftlichen Kosten und das finanzielle Risiko von "stets umweltschädlichen" wirtschaftlichen Aktivitäten, Unternehmen und Sektoren besser widerspiegeln, da diese Vermögenswerte die höchsten finanziellen Risiken darstellen. Finanzinstitute, die Kredite an Unternehmen vergeben, die in umweltschädliche Aktivitäten verwickelt sind, sollten weitaus höhere Kapitalanforderungen erfüllen müssen, um den damit verbundenen langfristigen Risiken Rechnung zu tragen. 

Der SUSREG-Report erfasst Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden aus 44 Ländern. Zusammen repräsentieren sie über 88 Prozent des globalen BIP, 72 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen und 11 der 17 Länder mit der größten biologischen Vielfalt der Welt. Der Versicherungssektor verwaltet ein Vermögen von 30 Billionen US-Dollar und mit einem weltweiten Prämienvolumen von 5 Billionen US-Dollar hält die Versicherungsbranche rund ein Drittel der weltweiten wirtschaftlichen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in ihren Bilanzen.
 
WWF SUSREG Assessment
Im Jahr 2021 startete der WWF die internationale SUSREG-Vergleichsstudie (Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities), um zu bewerten, wie Umwelt- und Sozialrisiken in die Regulierungs- und Aufsichtspraktiken sowie in Zentralbanken und andere Finanzaktivitäten integriert werden. Ziel der Bewertung ist es, Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden dabei zu helfen, ihre Politik mit regionalen und global bewährten Praktiken für eine Netto-Null-Wirtschaft zu vergleichen, damit globale Finanzströme vermehrt in Richtung nachhaltiger Aktivitäten gelenkt werden und Investitionen in umweltschädliche, nicht transformationswillige Unternehmen und Sektoren beendet werden.
 
Die Ergebnisse der Bewertung für die einzelnen Länder werden im Februar 2023 auf einer neu gestalteten Online-Plattform, dem SUSREG Tracker, verfügbar sein. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf der Bankenaufsicht, der SUSREG-Vergleichsrahmen wird schrittweise auf andere wichtige Bereiche des Finanzsystems wie Kapitalmärkte und Vermögensverwaltung ausgeweitet. 
 
Greening Financial Regulation Initiative (GFRI)
Die Greening Financial Regulation Initiative des WWF zielt darauf ab, Klima- und Umweltrisiken in den Mittelpunkt des Finanzsystems zu rücken. Mit dieser Initiative will der WWF den Zusammenhang zwischen Finanzrisiken und Umweltrisiken wie Klimawandel, Wasserknappheit und Rückgang der biologischen Vielfalt nachweisen und politische Entscheidungsträger, Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden auf die Notwendigkeit hinweisen, diese Risiken in ihre Mandate und Tätigkeiten zu integrieren. Dabei stellt der WWF die notwendigen Instrumente, wissenschaftlichen Untersuchungen, Bewertungen und Hilfestellungen zur Verfügung, um die Ambitionen auf der globalen politischen Agenda für nachhaltige Finanzen zu stärken. 

Kontakt

Julian Philipp

Pressesprecher für Transformation von Wirtschaft und Finanzmarkt / Berlin

  • Amur-Tiger © Ola Jennersten / WWF Schweden Bedrohte Arten

    Der Rückgang der biologischen Vielfalt wird maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht. Der WWF setzt sich weltweit für den Schutz bedrohter Arten ein. Erfahren Sie mehr zum Artenschutz