Ob Aktienfonds, Anleihen oder Altersvorsorge – Anlageberatende müssen ab Dienstag ihre Kundschaft danach fragen, welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie hat. Aus dem sogenannten „magischen Dreieck der Geldanlage“ aus Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit wird nun ein Viereck. Klima- und Umweltthemen gewinnen damit als fester Bestandteil von Anlageentscheidungen noch stärker Eingang in die Finanz- und Wirtschaftswelt.
„Jede Entscheidung zum Investieren hat einen Effekt – auf unser Klima, die biologische Vielfalt unseres Planeten, aber auch auf soziale Aspekte wie Menschenrechte oder Arbeitsbedingungen“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. „Es ist ein guter, aber auch dringend notwendiger Schritt, dass Nachhaltigkeit bei der Anlageberatung aufgewertet wird. Die positiven Effekte müssen wir durch intelligente Finanzflüsse verstärken, wenn wir beispielsweise unsere Klima- und Umweltziele erreichen wollen.“
Der neue WWF Pocket Guide zu Nachhaltigkeit in der Geldanlage bietet erste Orientierungshilfe zu der neuen Regulierung. Denn: „Was jede und jeder unter Nachhaltigkeit und nachhaltiger Wirkung versteht, ist immer noch nicht angemessen definiert und standardisiert. Die aktuellen Standards des Finanzsystems decken noch nicht ab, was zur erfolgreichen Begrenzung von Klima- und Ökosystemkrise erforderlich ist“, sagt Matthias Kopp weiter. Viele Wirkungsversprechen der Finanzbranche lassen sich wissenschaftlich nicht belegen, gehören eher zum Phänomen Greenwashing.
Vor allem findet ein Punkt noch viel zu wenig Einzug in die nachhaltige Geldanlage: der Beitrag einer Investition zur erfolgreichen Transformation hin zu einer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen. „Anleger:innen sollten im Beratungsgespräch das Wirkungsversprechen eines Finanzproduktes zu Transformationsbeiträgen aktiv erfragen“, sagt Kopp. „Kapital sollte vor allem dort wirken und verfügbar sein, wo es nachweisbar die größten Effekte für den notwendigen Wandel bietet.“
Hintergrund
Die geänderte europäische Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) gilt ab Dienstag, 02. August 2022. Anleger:innen müssen ab diesem Zeitpunkt gefragt werden, inwieweit sie Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Investments berücksichtigen möchten. In der Beratung werden Kund:innen gefragt, ob sie nachhaltige Finanzprodukte angeboten bekommen möchten. Falls die Antwort „Ja“ lautet, gibt es nach aktuellen Vorgaben verschiedene Optionen: Mindestanteile der Anlage im Sinne der EU-Taxonomie, Mindestanteile der Anlage nach der EU-Offenlegungsvorordnung oder Finanzprodukte, bei denen der Wirkungsnachweis über die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeit (sogenannte PAIs – „principle adverse impacts“) berücksichtigt werden soll.