Die Weltnaturschutzunion IUCN veröffentlichte gestern die erste vollständige Rote-Liste-Bewertung von knapp 1200 Arten von Haien, Rochen und Chimären seit 2014. Die Ergebnisse sind alarmierend: Die Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten stiegt von einem Viertel auf ein Drittel. Überfischung ist der Hauptgrund für den Rückgang der Bestände, aber auch Lebensraumverlust und die Klimakrise sind für die prekäre Situation verantwortlich. Der WWF fordert ein radikales Einlenken im internationalen Fischereimanagement, hin zu wissenschaftsbasierten Fanggrenzen, besseren Kontrollen und Vermeidung von Fängen besonders stark gefährdeter und bereits geschützter Arten.
„Haie und Rochen spielen elementare Rollen im Ökosystem der Meere. Die Gesundheit wichtiger Lebensräume ist direkt von ihnen abhängig. Mit jeder Neubewertung der IUCN wird die Lage dramatischer, sofortige Maßnahmen und weltweite Schutzbemühungen müssen dringend umgesetzt werden“, sagt Heike Zidowitz, Haiexpertin beim WWF Deutschland. „Dazu gehören weltweit ein besseres Management der Fischerei, wissenschaftsbasierte Fanggrenzen und Meeresschutzgebiete ohne menschliche Nutzung. Außerdem muss Beifang dringend vermieden werden – geschützte Arten dürfen nicht im Netz landen!“
Die Bewertung nennt eine Hai- und zwei Rochenarten, die als wahrscheinlich ausgestorben gelten. Damit wären sie weltweit die ersten Fische im Meer, die durch Überfischung ausgerottet wurden. Insgesamt geht es den Rochen noch schlechter als den Haien. 41 Prozent der insgesamt 611 bewerteten Arten von Rochen sind bedroht, bei Haien sind es 36 Prozent von 536 Arten. Chimären, auch Seekatzen genannt, liegen bei 9 Prozent von 52 Arten, galten aber zuvor nicht als gefährdet. Auch geographisch gibt es Unterschiede. Gebiete in den Tropen und Subtropen sind überproportional von Bestandsrückgängen betroffen. Bereits 75 Prozent der tropischen, küstennah lebenden Haie und Rochen sind gefährdet.
„Haie und Rochen leben seit 450 Millionen Jahren auf der Erde. Seit ihrer Entstehung haben sie fünf Massensterben der Erdgeschichte überstanden. Wir müssen verhindern, dass der Mensch durch Überfischung, Lebensraumzerstörung und Klimakrise diese Erfolgsgeschichte abrupt beendet.“