Die Herstellung, der Verbrauch und die Entsorgung von Kunststoffen haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft. Diese Effekte werden jedoch nicht im Marktpreis von Kunststoffen berücksichtigt. Laut eines neuen Berichts von WWF und der Beratungsfirma Dalberg müssen Regierungen und die Gesellschaft für jeden Dollar, den die Hersteller in die Plastikproduktion investieren, mindestens zehnmal so viel bezahlen, um die negativen Auswirkungen zu beheben. Die Lebenszeitkosten von Plastik, das 2019 produziert wurde, schätzt der Bericht auf 3,7 Billionen US-Dollar, das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Indien. Der allergrößte Teil der Kosten wird durch Schäden an Ökosystemen im Meer verursacht.
"Erstmals gibt es eine so klare Bewertung der nicht bezifferten langfristigen Kosten, die die Gesellschaft durch die Plastikverschmutzung zu tragen hat. So wird auch deutlich, dass in etlichen Ländern, zum Beispiel in Südostasien, die Kosten für Abfallentsorgung von der Allgemeinheit getragen werden, nicht von den Herstellern. Um dieses Ungleichgewicht zu beenden, brauchen wir in diesen Ländern dringend einen gesetzlichen Rahmen für eine erweiterte Produzentenverantwortung“, fordert Bernhard Bauske, Experte für Plastikmüll beim WWF Deutschland. Was es noch dramatischer macht: Die jetzt bekannten Zahlen sind voraussichtlich nur die Spitze des Eisbergs. „Die Kosten der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sowie auf die Ökosysteme an Land konnten bislang noch nicht oder nur schwer quantifiziert werden und könnten die Zahlen in Zukunft noch weiter in die Höhe treiben.“
Bei einem "Business-as-usual"-Szenario wird sich die Plastikproduktion bis 2040 verdoppeln und die ins Meer gelangende Plastikverschmutzung verdreifachen. Dadurch würden sich auch die Kosten für das im Jahr 2040 produzierte Plastik auf 7,1 Billionen US-Dollar verdoppeln, was 85 Prozent der weltweiten Gesundheitsausgaben im Jahr 2018 entspricht und größer ist als das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland, Kanada und Australien im Jahr 2019 zusammen. Die Treibhausgasemissionen aus dem Lebenszyklus von Plastik werden bis zu 20 Prozent des gesamten globalen Kohlenstoffhaushalts ausmachen und die Klimakrise beschleunigen.
Der Bericht attestiert Staaten weltweit unzusammenhängende Regulierungsansätze, falsche Anreize sowie den Mangel an koordinierten technischen Ressourcen, finanzieller Unterstützung und konsistenten Daten über den Eintrag von Plastik in die Umwelt. „Der derzeitige Ansatz zur Bewältigung der Plastikkrise versagt. Die Politik versäumt es, die tatsächlichen Kosten von Plastik zu verstehen und die Verursacher zur Kasse zu bitten. Wie so oft werden hier wieder einmal externe Umweltkosten anderen aufgebürdet, die nicht ursächlich für die Schäden an der Umwelt verantwortlich sind. Plastik im Meer ist größtenteils nicht rückholbar. Das wird uns in Zukunft sehr viel Geld kosten, wenn der Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt jetzt nicht endlich gestoppt wird“, so Bernhard Bauske.
Um die Plastikflut auf einer systemischen Ebene anzugehen, fordert der WWF die Regierungen auf, auf der UN-Umweltversammlung im Februar 2022 mit den Verhandlungen über ein rechtsverbindliches globales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung der Meere zu beginnen. Auf der ersten globalen Ministerkonferenz zu Meeresmüll und Plastikverschmutzung letzte Woche (1.–2. September) sprachen sich die Mehrheit der Länder nachdrücklich dafür aus, die Vertragsverhandlungen voranzutreiben.
„Die weltweite Plastikflut zeigt keine Anzeichen einer Verlangsamung, das Engagement, sie zu bekämpfen, hat allerdings ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Wir brauchen ein UN-Abkommen gegen die Plastikverschmutzung, das Regierungen auf klare Ziele für die Reduzierung, Sammlung, das Recycling und nachhaltige Alternativen einschwört, um das Eindringen von Plastik in die Meere bis 2030 zu stoppen.“
Zum Hintergrund:
Der WWF-Bericht legt zugrunde, dass Plastik sehr langlebig ist und in der Umwelt verbleibt. Die Schäden, die es verursacht, entstehen also immer wieder neu. Der Bericht berücksichtigt gleichzeitig eine abnehmende ökonomische Wirksamkeit der Plastikverschmutzung.
Zu den Kosten, die den Regierungen und der Gesellschaft durch Plastik entstehen, gehören:
- Marktkosten von Plastik: Die Marktkosten des 2019 produzierten Plastiks betrugen ~ 370 Milliarden US-Dollar.
- Kosten der Abfallwirtschaft: Die Bewirtschaftung von Kunststoffabfällen kostet mehr als 32 Milliarden US-Dollar, um die riesigen Mengen an Kunststoffabfällen, die jedes Jahr anfallen, zu sammeln, zu sortieren, zu entsorgen und zu recyceln.
- Kosten für Ökosystemleistungen: Das im Jahr 2019 produzierte Plastik, das zu einer Plastikverschmutzung der Meere wird, verursacht während seiner Lebensdauer im Meer Kosten in Höhe von mindestens 3,1 Billionen US-Dollar (+/- 1 Billion), was etwa 60 % der globalen Bildungsausgaben im Jahr 2019 entspricht.