EU legt Fangmengen für die Ostsee fest / WWF fordert Zukunftskommission Fischerei

Berlin, 12.10.2021: Die Fischereiministerinnen und -minister der EU haben sich auf neue Fangmengen für die Ostseefischerei im Jahr 2022 geeinigt. Obwohl nicht alle Empfehlungen von Wissenschaft und EU-Kommission übernommen wurden, entschieden sich die Mitgliedsländer aufgrund des desaströsen Zustandes der Ostsee für teils strikte Fangbeschränkungen. Der WWF begrüßte das als Schritt in die richtige Richtung. Positiv sei vor allem, dass nicht mehr nur die Entwicklung einzelner Bestände bewertet worden sei, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen den Arten. Dennoch liegen die beschlossenen Fangmengen für 4 von 10 Fischbeständen oberhalb dessen, was aus wissenschaftlicher Sicht maximal tragbar und nachhaltig ist. Als Weg aus der Misere schlagen die Umweltschützer der neuen Bundesregierung die Bildung einer Zukunftskommission Fischerei aus Politik, Fischereien und Zivilgesellschaft vor. Ziel müsse es sein, Umweltschutz und wirtschaftliche Nutzung der Ostsee in Einklang zu bringen.

Stella Nemecky, Fischerei-Referentin beim WWF Deutschland, kommentiert: „Die Ostsee ist in einem erschreckenden Zustand. Das hat nun auch die Politik zumindest in einigen Bereichen erkannt. Die teilweise strikten Fangbeschränkungen sind absolut notwendig. Bedauerlich ist hingegen, dass die Mitgliedstaaten nicht bei allen bedrohten Beständen den wissenschaftlichen Empfehlungen gefolgt sind und auch den Ökosystemansatz nicht durchgängig umsetzen, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Das bedauern wir sehr, denn so könnte die Entscheidung dennoch zum letzten Sargnagel für den westlichen Dorsch und Hering und die deutsche Fischerei in der Ostsee werden. Der Kabeljau ist aus der Ostsee bereits so gut wie verschwunden, auch der westliche Heringsbestand steht vor dem Kollaps.“  

Die EU-Kommission hatte klare Schritte hin zum längst überfälligen ökosystembasierten Ansatz im Fischereimanagement vorgeschlagen, wie er in der Gemeinsamen Fischereipolitik seit 2014 vorgeschrieben ist. Der Vorschlag berücksichtigte Wechselwirkungen zwischen den Arten und erkenne damit an, dass der isolierte Blick auf einzelne Bestände nicht funktioniere. Der Fang bestimmter Bestände beeinflusse auch andere – sei es durch Beifang, oder weil bestimmte Arten dann als Räuber oder Beute fehlten.

„Die Ministerinnen und Minister haben einige sehr wichtige Vorschläge der Europäischen Kommission aufgegriffen, andere jedoch links liegen gelassen. Nach vielen Jahren der systematischen Überfischung brauchen wir jedoch einen radikalen Wandel im Fischereimanagement, wenn wir die Fischpopulationen wieder auf ein nachhaltiges Niveau bringen wollen. Ob die heutige Entscheidung die desaströse Situation des Ökosystems Ostsee als auch der Fischereien maßgeblich verbessern kann, wird sich zeigen müssen“, so Stella Nemecky.

In der westlichen Ostsee, wo die meisten deutschen Fischer fangen, sei eine nachhaltige Fischerei nach jahrzehntelanger systematischer Überfischung unmöglich geworden. In allen Fischereien, selbst auf gesunde Bestände wie Sprotte und Scholle, würden Hering und Dorsch aus bedrohten Beständen mitgefangen. Die Entscheidung zur Schollen-Fischerei in der westlichen Ostsee könnte dem massiv überfischten Dorschbestand in diesen Gewässern den Rest geben, so der WWF. Hier wurde zwar die wissenschaftliche Fangempfehlung eingehalten, nicht jedoch die ökosystemaren Belange hinreichend berücksichtigt. Die erheblichen Beifänge überstiegen die Menge dessen, was insgesamt an Dorsch im kommenden Jahr in diesem Fanggebiet nachhaltig entnommen werden dürfe. Um das zu ändern, brauche es verpflichtendes nachhaltiges Fanggerät, das Dorschen die Flucht ermöglicht. Außerdem müssten Seekontrollen flächendeckend und wirksam illegale Rückwürfe verhindern. Solange das nicht der Fall ist, ist die Fortführung dieser Fischerei nach Meinung der Umweltschützer absolut unverantwortlich.

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