Die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) liegen im Umgang mit möglichen Klima- und Naturrisiken für die Stabilität des Finanzsystems im weltweiten Vergleich im Mittelfeld. Dies zeigt der WWF in seinem ersten SUSREG-Jahresbericht (Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities). Der Bericht bewertet Maßnahmen, Vorgehen und Fortschritte, die von Zentralbanken, Bankenregulierungs- und -aufsichtsbehörden ergriffen wurden, um ökologische und soziale Belange in ihre Mandate und Aktivitäten zu integrieren.
„Die SUSREG-Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden für mögliche Klima- und Naturrisiken weiterhin verstärkt zu sensibilisieren und deren Schritte zivilgesellschaftlich zu unterstützen“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. „Zentralbanken und Bankaufseher haben begonnen, bestehende geldpolitische, regulatorische und aufsichtsrechtliche Instrumente einzusetzen, um sicherzustellen, dass Finanzinstitute und Banken nicht weiterhin Aktivitäten unterstützen, die Klima-, Natur- und biologische Vielfalt zerstören. Allerdings setzt keine Zentralbank Kapital- und Liquiditätsanforderungen nach einem explizit vorsorglichen Ansatz ein, um klima- und naturbedingte finanzielle Risiken zu mindern – auch die deutschen Aufsichtsbehörden sind hier noch im Entwicklungsprozess.“
Die Bafin hat zwar in einem Merkblatt klargestellt, dass Nachhaltigkeitsrisiken klassische finanzielle Risiken darstellen und als solche von den Banken zu behandeln sind. Außerdem verlangt sie darin die umfassende Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Strategie, Risikomanagement, Governance, Führungskultur und -qualifizierung von Banken. Dennoch: „Ein Merkblatt ist noch keine klare Vorgabe, und ohne die Nutzung von bestehenden Sanktionsmechanismen bei Nicht-Erfüllung bleiben die Nachhaltigkeitsanforderung bei Banken schlicht wirkungslos“, kritisiert Matthias Kopp. „Die deutschen Aufsichtsbehörden entwickeln darüber hinaus keine konsistenten Zielbilder oder Szenarien, um sicher zu stellen, dass die ökologische Transformation die Stabilität des Finanzsystems nicht gefährdet. Auch verlangt sie von den beaufsichtigten Banken bisher zu wenig, die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Kapitalvergaben zu berücksichtigen.“
Der anstehende Wechsel an der Spitze der Bundesbank und die Neuaufstellung der Finanzaufsicht Bafin sollten daher für eine stärkere Gewichtung von transformationsorientierten Leitplanken genutzt werden. „Angesichts der zunehmenden Evidenz von finanziellen Risiken durch Klimakrise und Verlust der Biodiversität gehört die robuste und umfassende Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in bankaufsichtliche und geldpolitische Verfahren zügig angegangen“, fordert Matthias Kopp. „Bereits das bestehende Mandat der Bundesbank kann konsequenter im Hinblick auf nachhaltigkeitsbezogene Transformationserfordernisse ausgeübt werden.“
Der weltweite SUSREG-Report zeigt weiter, nur in 35 Prozent der bewerteten Länder schreiben Aufsichtsbehörden den Banken vor, ein Klima-, Umwelt- und Sozialrisikomanagement zu entwickeln oder zu verbessern. Zu den positiven Beispielen gehören die Europäische Zentralbank (EZB) und die Monetary Authority of Singapore, die neue Richtlinien für das Klima- und Umweltrisikomanagement herausgegeben haben, sowie die Banco Central do Brasil, die ihre bestehenden Risikomanagementvorschriften verschärft hat. Zudem sind mit Blick auf die Zentralbanken ökologische und soziale Kriterien nicht in wichtige geldpolitische Maßnahmen wie Ankäufe von Vermögenswerten, im Rahmenwerk für Kreditsicherheiten oder in Refinanzierungsprogramme integriert. Nur 22 Prozent der relevanten Zentralbanken haben einige dieser Maßnahmen eingeführt, und keine von ihnen erfüllt die entsprechenden SUSREG-Indikatoren vollständig.
Zum Report
Nach der Veröffentlichung des SUSREG-Rahmenwerks und des dazugehörigen Online-Tracking-Tools im April 2021 stellt der WWF die Ergebnisse in einem jährlichen Bericht vor. SUSREG deckt 38 Länder in Nord- und Südamerika, Europa, dem Nahen Osten, Afrika und dem asiatisch-pazifischen Raum ab, darunter die meisten Mitglieder und Beobachter des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Auf sie entfallen mehr als 90 Prozent des weltweiten BIP, 80 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen und 11 der 17 Länder mit der größten biologischen Vielfalt.