Die Bundesregierung hat am heutigen Mittwoch ihre neue Sustainable-Finance-Strategie vorgestellt. Die im Bundeskabinett beschlossene Strategie mit 26 Maßnahmen soll Deutschland zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzen um-bauen. Für den Umbau hatte der Sustainable-Finance-Beirat bereits im Februar 31 Hand-lungsempfehlungen der Bundesregierung vorgelegt.
Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland und Mitglied des Beirats der Bundesregierung, kommentiert:
„Die Bundesregierung packt in ihren 26 Maßnahmen der Strategie viele richtige Stellschrau-ben an. Entscheidend wird allerdings sein, wie wirksam die einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden, um eine erfolgreiche Transformation zu steuern und zu befördern. Denn wenn es um die Anwendung und Umsetzung der Maßnahmen geht, bleibt das Maßnahmenpaket noch zu unkonkret – anstatt die einzelnen Maßnahmen sinnvoll miteinander zu einem konkreten Plan zu verbinden. Eine Vision für ein ganzheitlich umfassendes nachhaltiges Finanzsystem ent-steht so nicht. Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen aber tatsächlich und wirksam zum Leitmotiv im, für und durch das gesamte Finanzsystem werden.
Zweifel sind angebracht, wenn die Bundesregierung beispielsweise ‚Transparenz‘ als ‚zentrale Grundlage für den Erfolg von Sustainable Finance‘ bezeichnet, sie aber andererseits im Be-reich der Unternehmensberichterstattung nur große und börsennotierte Unternehmen dazu verpflichten möchte. Damit unterliegen weiter 99 Prozent der Unternehmen keinerlei Ver-pflichtung zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken. Obwohl in der Strategie die Inhalte zum Beispiel der TCFD richtigerweise explizit in ihrer Bedeutung herausgestellt sind, werden deutsche Unternehmen in der Fläche jedoch nicht dazu angehalten. Es ist offensichtlich, dass der vom Bundesverfassungsgericht für einen erfolgreiche Transformation angemahnte ‚Pla-nungsdruck und Orientierung‘ ein entschlossenes Vorgehen auf allen von der Bundesregie-rung adressierten Ebenen erfordert.
Die Strategie greift auch wichtige konkrete Aspekte noch nicht auf, wie zum Beispiel die Rolle des Finanzsystems für den nachhaltigen Umbau des deutschen Gebäudebestands oder für den Aus- und Umbau nachhaltiger Infrastrukturen der Energie- und Verkehrswende, die unmit-telbar angegangen werden müssen. Die Bedeutung der EU-Taxonomie wird einerseits explizit beschrieben, andererseits wird ihre Anwendung und Weiterentwicklung in den eigenen Maß-nahmen nicht aufgenommen.
Ein positiver Ansatz der Strategie ist, dass der Bund die Bedeutung seiner eigenen Rolle heraus-stellt und seine eigenen Aktienanlagen in den Pensions- und Versorgungsfonds umschichten möchte – ein Wert von etwa neun Milliarden Euro. Als öffentliche Hand sollte der Bund hier seine Vorbildrolle konkret und aktiv umsetzen und die bestehenden Initiativen weltweit stär-ken, zum Beispiel mit seinen Anlagen der UN Net-Zero Asset Owner Alliance beitreten. Der deutsche Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO) hat dies bereits getan. Mit den eigenen nachhaltigen Standards für die Sondervermögen von Bund und Län-dern gibt er den Weg für private Akteure am Finanzmarkt vor. Auch die explizite Nennung der Rolle von KfW, Euler Hermes und der Außenwirtschaftsförderung als Handlungsfelder sind wichtige Impulse.“
Hintergrund
Mit seinen 31 Empfehlungen hat der Bericht des Sustainable-Finance-Beirats gezeigt, wie die gesamtwirtschaftliche Transformation der Wirtschaft durch ein nachhaltiges Finanzsystem befähigt und unterstützt gelingen kann. Der Sustainable Finance-Beirat mit 38 Expert:innen aus Finanz- und Realwirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wurde von der Bundesre-gierung eingesetztund nahm im Juni 2019 seine Arbeit auf. Im Februar 2021 legte er seinen Abschlussbericht vor, aus dem die Bundesregierung ihre Sustainable-Finance-Strategie mit ihren 26 Maßnahmen entwickelt.