Internationale Fluss-Konferenz des WWF / 1,2 Millionen Barrieren blockieren Europas Flüsse

Am Dienstag 4. Mai startet unter dem Titel „Dam Removal goes Alps“ eine internationale Fluss-Konferenz des Naturschutzverbands WWF in Kooperation mit anderen nationalen und internationalen Organisationen. Pandemie-bedingt virtuell. Mehrere hundert Teilnehmer:innen aus 50 Nationen beraten auf der viertägigen Tagung, wie europaweit – aber auch in Bayern – ein Rückbau-Boom ausgelöst werden könnte, um Flüsse nach und nach von ihren Barrieren zu befreien. „Beispiele wie die Renaturierung der Mitternacher Ohe im Bayerischen Wald zeigen: Wo Bagger rollen und Wanderhindernisse entfernt werden, kommt das Leben in die Flüsse zurück. Und, positiver Nebeneffekt: Besitzer unrentabler Kleinwasserkraftanlagen werden von der Last der Instandhaltung maroder Infrastruktur befreit. Eine Win-Win-Situation“, berichtet Dr. Wolfgang Hug, Leiter des bayerischen WWF-Büro anlässlich des Konferenzstarts.

Das Problem bezeichnet der WWF unterdessen als „gigantische Herausforderung für Europas Wasserpolitik“. Das werde auch beim Blick auf die nackten Zahlen deutlich: Demnach blockieren 1,2 Millionen Barrieren die Flüsse des Kontinents. Allein in Bayern zerschneiden knapp 57.000 Querbauwerke wie Abstürze, Wehre und Staudämme  die blauen Adern. Die allermeisten sind weniger als 2 Meter hoch. Dennoch sind nur 11 % dieser Barrieren „frei durchgängig“, können also problemlos von Fischen überwunden werden. Das ist das Ergebnis einer WWF-Analyse. Damit ist Bayern Schlusslicht in Deutschland beim Anteil der durchgängigen Querbauwerke an Flüssen. 2011 legte das Bayerische Landesamt für Umwelt zwar ein Priorisierungskonzept für die fischbiologische Durchgängigkeit von Gewässern vor. Doch zehn Jahre später sind noch immer viele Barrieren nicht durchgängig.

„Wir wollen den positiven Geist der europäischen Dam-Removal-Bewegung nach Bayern bringen, Begeisterung für frei fließende Flüsse wecken, den Erfahrungsaustausch fördern, und damit den Boden bereiten für viele Rückbauten im 3. Bewirtschaftungszyklus der Wasserrahmenrichtlinie“, so Hug. Bei der Vielzahl der Hindernisse im Fluss stelle sich jedoch die Frage: Wo anfangen und woher das Geld nehmen? In Nordrhein-Westfalen und der Schweiz können über GIS-basierte Tools bereits diejenigen Barrieren identifiziert werden, deren Rückbau machbar ist und ökologisch den meisten Mehrwert bietet. In Finnland bieten Privatpersonen ihre Wasserrechte bei Auktionen zur Ablösung feil. Den Zuschlag bekommt derjenige Bieter mit dem kleinsten Preis und dem höchsten ökologischen Nutzen. Diese Modelle, verbunden mit der Schaffung eines Rückbaufonds – wie vom WWF gefordert – könnten auch in Bayern dazu führen, dass Altrechte abgelöst und obsolete Barrieren rasch entfernt werden.

Bei der Tagung erklären renommierte Expert:innen aus Wissenschaft, Behörden und dem Naturschutz, was derzeit auf dem Spiel steht, und warum Flussrenaturierungen nicht nur Lebensräume für Fische schaffen, sondern auch Vorteile für uns Menschen bringen. Die Fachvorträge werden ergänzt durch Video-Clips über Rückbauprojekte, Interviews und einem Austausch in Kleingruppen. Als Höhepunkt wird am vierten und letzten Tag der Tagung das größte Rückbau-Projekt demonstriert, das bisher in Europa durchgeführt wurde: der Abriss von zwei ehemals energetisch genutzten Staudämmen an der Sélune in Frankreich.

Interessierte Journalisten sind herzlich dazu eingeladen, sich in die Tagung einzuklinken (Tagungssprache ist Englisch); eine Registrierung ist über diese Seite möglich: https://dam-removal-goes-alps.de/start.html. Auf der Seite liegt auch das ausführliche Tagungsprogram zum Download bereit.

Kontakt

Roland Gramling

Pressesprecher, Berlin