Kein Meer der Welt erhitzt sich so stark wie das Mittelmeer, warnt die Umweltschutzorganisation WWF in einem neuen Bericht. Demnach steigen die Temperaturen im beliebten Urlaubsparadies um 20 Prozent schneller als im Durchschnitt aller Weltmeere. Die Klimakrise hat bereits einige der wichtigsten marinen Ökosysteme des Mittelmeers teils irreversibel verändert, mit spürbaren Folgen auch für Fischerei und Tourismus.
„Fast 1000 gebietsfremde Arten sind bereits in die wärmer werdenden Gewässer des Mittelmeers eingewandert – zulasten der gewohnten Tier- und Pflanzenwelt. Wegen der Erhitzung drohen mehr Quallenblüten Zunehmendes Extremwetter verwüstet die empfindlichen Fächerkorallen und bedroht Küsten und Städte, weil mit schwindenden Seegraswiesen auch der natürliche Küstenschutz abnimmt. Die Klimakrise prägt das Mittelmeer schon jetzt deutlich“, sagt Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland. Besonders problematisch: „Die Effekte der Klimakrise treffen auf ein ohnehin gestresstes Meer, das durch Überfischung, Verschmutzung, Plastikmüll und Schifffahrt stark belastet ist. Irgendwann wird der Stresscocktail zu viel. Um den Trend umzukehren müssen wir den CO2 Ausstoß senken, menschlichen Nutzungsdruck aufs Meer reduzieren und seine Widerstandskraft durch Schutzgebiete aufbauen“. Der WWF fordert, 30 Prozent des Mittelmeers bis 2030 effektiv zu schützen. Es ist Heimat für eine bemerkenswerte Artenvielfalt. Obwohl es weniger als ein Prozent der Weltmeere ausmacht, beherbergt das Mittelmeer zehn Prozent aller bekannten Meeresarten. Mehr als ein Viertel davon kommt ausschließlich hier vor.
Seit 2003 treten Quallenblüten häufiger und länger auf. Die steigenden Wassertemperaturen ermöglichen die Fortpflanzung bis in die Wintermonate und die Verbreitung tropischer Quallenarten. Zusätzlich sorgt die massive Überfischung von fast 90 Prozent der Fischbestände dafür, dass die Fressfeinde und Nahrungskonkurrenten der Quallen fehlen.
Die nur im Mittelmeer vorkommenden Neptungraswiesen sind durch die Erwärmung des Wassers und den Anstieg des Meeresspiegels bedroht, mit ernsten Folgen für die Artenvielfalt. Jede fünfte Mittelmeerart braucht Neptungras als Lebensraum. Weil diese Unterwasserwiesen bis zu 42 Prozent der CO2 Emissionen der gesamten Mittelmeerländer speichern, geht auch die wichtige Funktion als Kohlenstoffsenke mit dem Verschwinden der Neptungraswiesen verloren. Im gesamten Mittelmeer sterben Weichkorallen wie die fächerartigen Gorgonien. 30 Prozent dieser Korallenkolonien wurden allein durch Stürme entlang der Ligurischen Küste zerstört. In direkter Folge von Hitzewellen wurden Massensterben von Gorgonienwäldern an vielen Orten im Mittelmeer bis in 40 Meter Wassertiefe verzeichnet. Auch bei der größten mediterranen Muschelart – der großen Steckmuschel – muss man von Massenaussterben sprechen. In den meisten Regionen des Mittelmeeres ist sie zwischen 2016 und 2019 fast völlig aufgrund einer eingeschleppten Seuche verschwunden. Invasive Arten wie der Kaninchenfisch oder Rotfeuerfisch nahmen hingegen stark zu. Neue Arten wandern vor allem über den Suezkanal vom Roten Meer ins Mittelmeer ein. Wo die großen Schwärme von pflanzenfressenden Kaninchenfischen heimisch werden, grasen sie ganze Algenwälder ab. Die komplexen, artenreichen Lebensräume werden durch einen Film tropischer Algen ersetzt, wie bereits an der Hälfte der Flachwasserriffe im südöstlichen Mittelmeer geschehen ist. Als besonders zerstörerisch gilt die Invasion des Feuerfischs, der sich von großen Mengen an Krustentieren oder kleinen Fischen ernährt. Dem gefräßigen neuen Räuber im Ökosystem können die Beutetiere nicht ausweichen. Durch die jahrzehntelange Überfischung vor allem großer Raubfische gibt es kaum noch heimische Arten, die die Verbreitung des Feuerfischs begrenzen könnten.
„Es ist nicht mehr das Meer, das wir kannten. Die Erderhitzung beeinflusst und verändert Ökosysteme und Lebensgemeinschaften im gesamten Mittelmeer. Zugleich verstärkt die Klimakrise alle anderen Belastungen, denen das Mittelmeer ausgesetzt ist. Neben der CO2-Reduktion und Meeresschutzgebieten müssen deshalb auch Maßnahmen gegen Überfischung und Verschmutzung ergriffen werden“, fordert Heike Vesper.