- 2,5 Milliarden Tonnen gehen weltweit jährlich verloren, 1,2 Milliarden Tonnen der Verluste fallen bereits in der Landwirtschaft an - vor, während und direkt nach der Ernte
- Insgesamt erreichen rund 40 Prozent aller global erzeugten Lebensmittel nie die Teller
- Zehn Prozent aller globalen Treibhausgasemissionen gehen auf das Konto der Lebensmittelverschwendung
Berlin/Gland 21.07.2021: Jahr für Jahr werden schätzungsweise 2, 5 Milliarden Tonnen erzeugte Lebensmittel weltweit verschwendet, statt verzehrt zu werden. Allein in der Landwirtschaft gehen 1,2 Milliarden Tonnen aller global produzierten Lebensmittel vor, während und direkt nach der Ernte für den Verzehr verloren. Insgesamt erreichen etwa 40 Prozent der weltweit erzeugten Lebensmittel keinen Menschen. Rund viereinhalb Millionen Quadratkilometer, also die Fläche der gesamten Europäischen Union, werden dafür weltweit beansprucht, während der Druck auf das Klima und die Natur steigt. Das sind zentrale Ergebnisse der heute vorgestellten Studie „Driven to Waste“ der Umweltschutzorganisation WWF in Zusammenarbeit mit dem britischen Lebensmitteleinzelhändler Tesco.
Die Produktion von Lebensmitteln belegt viel Land und verbraucht enorme Mengen an Wasser und Energie. Bisherigen Schätzungen zufolge sind Lebensmittelabfälle für acht Prozent der Treibhausgase (THG) verantwortlich. Die neuen Daten des WWF-Berichts „Driven To Waste“ deuten darauf hin, dass es sogar zehn Prozent aller Treibhausgasemissionen sind. Dies entspricht fast dem Doppelten der Emissionen, die von allen in den USA und Europa in einem Jahr gefahrenen Autos erzeugt werden, so der Bericht.
Bislang wurde die Lebensmittelverschwendung von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf 1,2 Mrd. Tonnen geschätzt. Der jetzt ermittelte Anstieg resultiert aus erstmals vorgenommenen Schätzungen für die Verluste vor und während der Ernte bzw. vor der Schlachtung. Gleichzeitig ist das Volumen der Lebensmittelproduktion seit 2011 deutlich gestiegen.
Auch in Deutschland ist die Datenlage zu Ursachen und Mengen der Lebensmittelverluste im Bereich der Primärproduktion nach wie vor lückenhaft. Es fehlen belastbare Zahlen dazu, wie hoch der Anteil ist, der auf dem Feld liegen bleibt oder statt auf dem Teller als Tierfutter oder Energielieferant in der Biogasanlage endet. „Wir brauchen nach der Bundestagwahl dringend bundesweit eine systematische, regelmäßige und vergleichbare Erfassung der Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette. Unser gemeinsamer Anspruch im Kampf gegen die Klimakrise und für den besseren Schutz von Boden und Gewässern muss sein, jede Ernte optimal zu nutzen“, sagt WWF-Ernährungsexpertin Tanja Dräger de Teran.
Lebensmittelverluste auf der Ebene der landwirtschaftlichen Produktion sind in vielen Ländern oft nicht als Lebensmittelabfälle definiert. So gelten Verluste, die vor und während der Ernte und der Aufzucht von Tieren entstehen, in der EU-Abfallrahmenrichtlinie nicht als Lebensmittelabfälle. Danach richtet sich auch die deutsche Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. „Die Ergebnisse des Berichts zeigen, dass wir die gesamte Lebensmittelversorgungskette in die Pflicht nehmen müssen, damit bereits im ersten Glied der Nahrungskette weniger verloren geht“, sagt Dräger de Teran mit Blick auf die Lage in der EU und in Deutschland. Per Definition blendet die Politik derzeit Verluste aus, die rein systembedingt sind und unabhängig sind vom Wetter oder von Schädlingen. Dazu gehören zum Beispiel Überschüsse, die daraus resultieren, dass Vertragslieferanten gewährleisten müssen, ausreichend „Qualitätsware“ liefern zu können. Dazu gehören auch Preisschwankungen, die dazu führen, dass es bei gefallenen Erzeugerpreisen für den Landwirt kostengünstiger ist, unter zu pflügen statt zu ernten.
Ebenfalls nicht erfasst werden in der EU-Abfallrahmenrichtlinie Lebensmittel, die noch als Tierfutter oder für die industrielle Nutzung verwendet werden. „Mit Blick auf den Energieaufwand gehören tausende Tonnen von Toastbrot-Endscheiben vom frisch gebackenen Toastbrot mit in den Verkauf, anstatt dass sie im Tierfutter landen“, kritisiert Tanja Dräger de Teran.