Mensch-Wildtier-Konflikte sind eine der größten Gefahren für Wildtiere und bedrohen zudem die Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Naturschutzorganisation WWF und das UN-Umweltprogram, (UNEP) am Donnerstag veröffentlicht haben. Der Report „A future for all - the need for human-wildlife coexistence“ hebt hervor, dass weltweit mehr als 75% der Wildkatzenarten, wie etwa Tiger und Löwe, von konfliktbedingten Tötungen betroffen sind. Doch nicht nur Beutegreifer wie Eisbären, Wölfe und Robben sondern auch große Pflanzenfresser wie Elefanten geraten immer wieder mit dem Menschen in Konflikt, da sie beispielsweise Felder von Kleinbauern „leerräumen“ und verwüsten. Häufig zieht die Natur dabei den kürzeren, da Menschen Tiere in Selbstverteidigung oder als Präventiv- bzw. Vergeltungsmaßnahme töten. Laut Bericht ist die Koexistenz von Menschen und Wildtieren eine ebenso sehr entwicklungspolitische wie humanitäre Herausforderung. Die Autor:innen kommen zu dem Schluss, das Mensch-Wildtier-Konflikte die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) gefährden.
„Besonders für Menschen die in Armut leben, können Wildtiere schnell zu Konkurrenten um Wasser, Nahrung und Land werden. Der Erhalt der Artenvielfalt und der Kampf gegen Ungleichheit sind zwei Seiten derselben Medaille und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, fordert Moritz Klose, Artenschutzexperte und Programmleiter Wildtiere beim WWF Deutschland. Laut WWF sind Menschen, die von Ackerbau, Viehzucht oder Fischerei leben oder aus indigenen Gemeinschaften stammen besonders häufig von Mensch-Wildtier-Konflikten betroffen. Diese Konflikte müssten von der internationalen Staatengemeinschaft endlich angegangen werden. „Koexistenz, also ein Zusammenleben von Menschen und Wildtieren ist möglich“, so Klose. „Die Maßnahmen dafür müssen allerdings konsequent umgesetzt werden. Zum Wohle von Menschen und Wildtieren.“ Wenn die Welt eine Chance haben soll, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müssten Mensch-Wildtier-Konflikte daher endlich explizit in die entsprechenden Umsetzungspläne aufgenommen werden. Außerdem müssen sie im Zentrum des neuen Rahmenwerks der Biodiversitätskonvention CBD stehen.
Laut dem WWF-UNEP-Bericht teilten sich Wildtiere und Menschen als gemeinsamen Lebensraum über die Hälfte der globalen Landfläche. Die Wissenschaftler:innen gehen daher nicht davon aus, dass Mensch-Wildtier-Konflikte vollständig zu vermeiden sind. Sie könnten aber reduziert und die Folgen abgemildert werden. Ein Beispiel dafür ist das grenzübergreifende Kavango- Zambeszi Schutzgebiets-Netzwerk (KAZA) im südlichen Afrika, in dem ein integrierter Ansatz zur Bewältigung von Mensch-Wildtier-Konflikten zu einer 95-prozentigen Verringerung der Tötungen von Nutztieren durch Raubtiere geführt hat. Dementsprechend gab es 2016 keine Vergeltungstötungen von Löwen und die Löwenpopulationen konnte sich erholen.
In Europa führt die Ausbreitung einst seltener Säugetierarten mitunter zu Konflikten. Dabei stehen Wölfe, die ungeschützte Nutztiere töten, Biber, die Felder unter Wasser setzen und Wisente, die die Rinde von Bäumen schälen, häufig stellvertretend für tieferliegende Konflikte. „Wenn ein Weidetierhalter, der finanziell mit dem Rücken zur Wand steht, auch noch einen Wolfsriss in seiner Herde hat, kann das für ihn eine existenzbedrohende Situation werden. Wir als Gesellschaft müssen uns fragen, was es uns Wert ist eine intakte Natur mit Wildtieren zu haben und zugleich eine naturverträgliche Viehhaltung, die das Bild unserer Kulturlandschaft pflegt und erhält“, so Klose. „In nicht-nachhaltige und von vielen Menschen auch nicht gewollte Formen der Tiermast fließen jedes Jahr Millionen von Euro. Ein Schäfer auf dem Land hingegen, wird von der Politik immer noch viel zu häufig stiefmütterlich behandelt. Mit populistisch anmutenden Äußerungen wird dann die Ungleichheit gegen die Rückkehr des Wolfes ausgespielt.“ Der WWF fordert daher verlässliche und finanziell gut ausgestattete Programme, die betroffene Menschen und Unternehmen gegen die Auswirkungen von Mensch-Wildtier-Konflikten abpuffern und ermöglichen, dass die Vorteile der Koexistenz mit Wildtieren überwiegen. So sollte etwa die Förderung des Herdenschutzes deutlich unbürokratischer und verlässlicher erfolgen. Nicht zuletzt spielen Wildtiere eine wichtige Rolle für den Erhalt und die Resilienz unserer Ökosysteme, die auch Lebensgrundlage für uns Menschen sind.
Hintergrund „A future for all - the need for human-wildlife coexistence“
Der Bericht wurde gemeinsam von der Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) erstellt. Er enthält Beiträge und Analyse von 155 Experten aus 40 Organisationen in 27 Ländern. Report zum Download und weitere Infos unter www.wwf.de/konflikte-mit-wildtieren
Hintergrund Euro Lages Carnivores
Um zu zeigen wie die Nachbarschaft von Menschen und großen Beutegreifern in Europa gelingen kann, hat der WWF das Projekt EuroLargeCarnivores ins Leben gerufen. Die 16 Partner aus ganz Europa machen sich dafür stark, Lösungsansätze für Mensch-Wildtier-Konflikte zu entwickeln. Im Zuge des Projektes wurde u.a. die Kampagne “stories of coexistence” ins Leben gerufen, die Lebensgeschichten von Menschen in Nachbarschaft zu Wildtieren vorstellt und für ein Zusammenleben sensibilisiert. www.eurolargecarnivores.eu/de/
WWF-UNEP-Report: Mensch-Wildtier-Konflikte gefährden Artenvielfalt - und UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung
Kontakt
Roland Gramling
Pressesprecher, Berlin