Kaum Wildnis in Deutschland, kritisiert die Naturschutzorganisation WWF kurz nach dem Jahreswechsel. Schätzungsweise gerade einmal 0,6 Prozent der Landfläche in der Bundesrepublik sind laut WWF derzeit geschützte Wildnisgebiete. Dabei hätten es bis Ende 2020 eigentlich 2 Prozent sein sollen – zumindest laut der "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt", die die Bundesregierung 2007 beschlossen hat. „Das ohnehin magere, selbstgesteckte Wildnis-Ziel der Bundesregierung wurde deutlich verfehlt“, erklärt Albert Wotke, Wildnis-Referent beim WWF Deutschland. „Hier braucht es mehr Anstrengungen - vor allem seitens der Bundesländer, in deren Kompetenzbereich die Wildnisentwicklung fällt.“ Die Gründe sieht Wotke unter anderem in dem Scheitern etlicher Nationalpark-Projekte, wie etwa in Bayern. Hier brauche es seitens der Länder „mehr Mut und Engagement“. Darüber hinaus sollte zukünftig gelten: „Vorfahrt für Wildnis“.
Der WWF fordert, freiwerdende Flächen der öffentlichen Hand im ländlichen Raum nicht mehr zu privatisieren, sondern damit bestehende Wildnisgebiete zu erweitern oder miteinander zu vernetzen. Finanzielle Anreize wie Vergünstigungen bei der Grundsteuer, den Grundabgaben oder bei der Erbschaftssteuer sollten private Flächeneigentümer motivieren, geeignete Flächen ihres Grundbesitzes für die Wildnisentwicklung zur Verfügung zu stellen. Ein erfreulicher erster Schritt der Bundesregierung ist aus Sicht des WWF und der Initiative „Wildnis in Deutschland“ der Wildnisfonds. Mit dem Förderprogramm unterstützt die Regierung den Kauf von Flächen, auf denen Wildnis entstehen darf.
„Wildnis ist kein Selbstzweck. Sie bewahrt nicht nur unsere biologische Vielfalt, sondern mindert auch negative Effekte des Klimawandels, kann vor Hochwasser schützen und trägt über Tourismuseffekte positiv zur Regionalentwicklung bei“, so Wotke. Da die Bundesrepublik ihr selbstgestecktes 2020-Ziel nicht erreicht habe, müsse nun dringend nachgesteuert werden. Auch in Hinblick auf die EU-Vorgaben zum Schutz der biologischen Vielfalt: In Europa sollen bis 2030 30 Prozent der Landfläche unter Schutz gestellt werden. „Das ist ein ambitioniertes Vorhaben. Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten“, so Wotke.
Hintergrund:
Lesen Sie die zentralen Forderungen der „Agenda für Wildnis“ unter:
www.wildnis-in-deutschland.de/agenda
„Wildnis in Deutschland“ ist eine Initiative der „Strategiegruppe Naturschutzflächen“ des Dachverbandes Deutscher Naturschutzring, der 19 Umweltstiftungen und Verbände angehören und die sich für mehr Wildnis in Deutschland einsetzt. Zahlreiche Expertinnen und Experten sowie das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz unterstützten die Initiative. Partner sind: BUND, BUNDstiftung, Deutsche Umwelthilfe, Deutsche Wildtier Stiftung, EuroNatur, Greenpeace e. V., Gregor Louisoder Umweltstiftung, GRÜNE LIGA, Heinz Sielmann Stiftung, Michael Succow Stiftung, NABU, NABU-Stiftung Nationales Naturerbe, Nationale Naturlandschaften e. V., Naturstiftung David, Naturwald Akademie, Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, Vogelschutz-Komitee und WWF Deutschland. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt koordiniert die Aktivitäten.
Wildnisgebiete im Sinne der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung sind große, zusammenhängende Räume, in denen sich Natur frei von menschlichen Einwirkungen entwickeln darf. Der Mensch ist dort als Besucher willkommen, um die Faszination und Ruhe der abwechslungsreichen, wilden Landschaften zu erleben. Viele bedrohte Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen finden nur in Wildnisgebieten wichtige Lebens- und Rückzugsräume. Damit leisten diese Gebiete einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt.