Bericht der Europäischen Umweltagentur bestätigt desolaten Zustand der Natur / WWF: „Retten was noch zu retten ist“

Berlin, 19.10.2020: Die biologische Vielfalt in der gesamten EU sinkt weiter rapide: 81 Prozent aller von der EU geschützten Lebensräume sind in einem schlechten Zustand, die Hauptziele der Biodiversitätsstrategie der EU werden verfehlt. Das geht aus einem heute veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Besonders die Arten der Agrarlandschaft nahmen demnach noch einmal dramatisch ab. So verschlechterte sich der Bestand von Rebhühnern und Kiebitzen fast flächendeckend. Wenn sich der Trend ungebremst fortsetzt, könnte beispielsweise der Feldhamster in wenigen Jahren ausgestorben sein. Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz bei WWF Deutschland kommentiert: „Das sind historische Tiefstände. Diese Woche hat die Bundesregierung als EU-Ratsvorsitzende aber auch die Chance eine historische Trendwende einzuleiten. Denn mit Entscheidungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der EU-Biodiversitätsstrategie und Fangquoten für die Ostsee werden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt.“

Laut dem Bericht beschleunigt sich der Rückgang der Arten: 60 Prozent der Arten sind in einem schlechten Zustand, nur sechs Prozent erholten sich in dem beobachteten Zeitraum Als Beispiel: 55%  der Bestände von Enten und Gänsen sind in einem schlechten oder sogar sehr schlechten Zustand. Gründe für den dramatischen Zustand der Natur sieht der Bericht auch in der intensiven Landwirtschaft. Heinrich kommentiert: „Wir müssen die Ursachen des Naturverlusts an der Wurzel packen: Wenn die EU-Landwirtschaftsminister und das Europaparlament diese Woche über die Zukunft der GAP abstimmen, dann müssen sie sich für eine Neuausrichtung einsetzen. Bisher sind beide Institutionen allerdings auf destruktivem Kurs, die ökologische und soziale Reform der GAP droht auf der Strecke zu bleiben.“ Um den Biodiversitätsverlust auf den Feldern und Wiesen zu stoppen, fordert der WWF schädliche Subventionen zu stoppen und mit dem Geld stattdessen Landwirte zu belohnen, die klima- und naturfreundlich wirtschaften.

Im Hinblick auf die Entscheidung des EU-Umweltministerrats zur Biodiversitätsstrategie am Freitag den 23.Oktober fordert Heinrich: „Wir müssen von der Natur retten, was noch zu retten ist. Die von der EU-Kommission vorgelegte Biodiversitätsstrategie ist vielversprechend. Ein echter Wendepunkt wird sie allerdings nur, wenn sich die Mitgliedstaaten jetzt hinter die Strategie stellen und sich darauf konzentrieren, die notwendigen Maßnahmen rasch und vollständig umzusetzen.”

Ein weiterer Grund für den desolaten Zustand der Natur ist die Fischerei. „Überfischung, Beifang und zerstörerische Fangmethoden wie Grundschleppnetze lassen Fischbestände seit Jahren schrumpfen und bringen die Meeresökosysteme in Gefahr. Bei der Festlegung der Ostsee-Fangmengen für 2021 diese Woche gilt: Die Bestände müssen sich erholen können, bevor sie rentabel befischt werden können. Die Wissenschaft rät deshalb zu Fangstopps für Hering in der westlichen Ostsee, wie auch für Dorsch in der westlichen und östlichen Ostsee. Diese Empfehlungen sollten dringend befolgt werden.“ Außerdem ist ein effektives Schutzgebiets-Netzwerk, das 30 Prozent der europäischen Meeresfläche bis 2030 unter Schutz stellt, maßgeblich für einen Erfolg. Ebenso braucht es effektivere Kontrollen, die die Legalität von Fisch gewährleisten können und bedrohte Arten besser schützen.

Hintergrund

Der Bericht über den Zustand der Natur erscheint alle sechs Jahre und fasst die Monitoring-Daten aller EU-Länder zum Zustand von geschützten Lebensräumen und Arten zusammen. Dieser Bericht fasst die Lage der Natur von 2013 bis 2018 zusammen. Der EEA fordert die EU-Mitgliedsstaaten in dem aktuellen Bericht auf, Ihre Maßnahmen zur Umsetzung der bestehenden EU-Naturschutzgesetze und Umweltvorschriften zu verstärken, einschließlich der Verfügbarkeit ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen zur Gewährleistung eines wirksamen Naturschutzes. 

Kontakt

Rebecca Gerigk

Pressesprecherin, Berlin