Die unregulierte Fischerei im Indischen Ozean gefährdet das Meeresökosystem und die Versorgung mit Fisch und Meeresfrüchten, wie eine neue WWF-Untersuchung zeigt. Der Bericht von WWF und Trygg Mat Tracking (TMT) beschreibt zum ersten Mal genau, wann, wo und wie unregulierter Fischfang auf der Hohen See in der Region stattfindet, welche Auswirkungen er auf bedrohte Arten hat und wie weit er sich ausbreitet. Die Tintenfisch-Fischerei in einem unregulierten Gebiet nahm beispielsweise in nur fünf Jahren um 830 Prozent zu, während es für Arten wie Haie keine rechtlichen Rahmenbedingungen für Überwachung und Schutz gibt.
Im Gegensatz zum illegalen und nicht gemeldeten Fischfang wird der unregulierte Fischfang dort betrieben, wo kein rechtlicher Rahmen besteht und ist nicht an ein regionales Fischereimanagement und einen Rechtsrahmen gebunden. Der Indische Ozean beheimatet einige der wichtigsten Fischereien der Erde, die über 14 Prozent des weltweiten Wildfangs ausmachen. Trotzdem werden 30 Prozent der bewerteten Bestände in der Region bereits über die nachhaltigen Grenzen hinaus befischt. Der Bericht zeigt, dass die unregulierte Fischerei, die bei der Berechnung der 30 Prozent nicht berücksichtigt wird, an Intensität zunimmt und damit wesentliche Einnahmequellen für Millionen von Menschen und die Gesundheit des Ökosystems gefährdet.
Der Bericht stellt fest, dass die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die Fischerei im Indischen Ozean sowohl in den geografischen Gebieten als auch bei den Arten, die sie abdecken, Lücken aufweisen. Dies führt zu einer unregulierten Fischerei in der gesamten Region. Einige dieser Lücken werden durch schnell expandierende Fischerei gezielt ausgenutzt, bei anderen besteht ein hohes Risiko, dass diese eine zukünftige Ausbeutung befördern. Der Bericht lässt darauf schließen, dass Fischereiprodukte, die ohne nachhaltiges Fischereimanagement oder Erhaltungsmaßnahmen gefangen werden, sehr wahrscheinlich auch in der Europäischen Union (EU) und in Deutschland, verkauft werden.
"Das Scheitern eines nachhaltigen Fischereimanagements treibt die Überfischung an. Dies ist ein grassierendes Problem auf der ganzen Welt. Das derzeitige Regulierungsvakuum im Indischen Ozean darf nicht weiter bestehen bleiben. Als weltweit führender Markt für Fischereiprodukte muss die EU ehrgeizige Maßnahmen zur Rückverfolgbarkeit verabschieden und durchsetzen, um zu verhindern, dass nicht-nachhaltige Produkte auf den Markt gelangen. Diese Maßnahmen werden den Lebensunterhalt von verantwortungsvollen Fischern sichern, den Konsumenten der in der EU verzehrten Fische und Meeresfrüchte Sicherheit geben und die Gesundheit unseres Ozeans schützen", kommentiert Dr. Antonia Leroy, Leiterin der Ozeanpolitik im WWF-Büro in Brüssel.
"Die Regulierungslücken auf der Hohen See im Indischen Ozean sind von den internationalen Fischereiflotten nicht unbemerkt geblieben. Da die weltweite Nachfrage nach Fisch- und Meeresfrüchten weiter steigt, müssen diese Lücken unbedingt geschlossen werden, sonst stehen wir vor einer Destabilisierung sowohl der Meeresökosysteme und ihrer Ressourcen, von denen das Einkommen und die Ernährungssicherheit vieler Menschen abhängen. Das Ziel 14.4 der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung beinhaltet ein Ende der unregulierten Fischerei. Dass bedeutende Gebiete und Arten der Hohen See - unsere globalen Gemeinschaftsgüter - unreguliert bleiben, ist einfach verrückt", so Duncan Copeland, Geschäftsführer bei TMT.
Im Jahr 2017 wurden 25,3 Milliarden Euro an Tintenfischen in die EU eingeführt, die hauptsächlich aus der Fischerei im Indischen Ozean stammten. Der rapide Anstieg des unregulierten Tintenfischfangs stellt eine direkte Bedrohung nicht nur für die Tintenfische, sondern auch für das ozeanische Nahrungsnetz dar. Dort spielen Tintenfische eine entscheidende Rolle, da sie unter anderem eine Nahrungsquelle für Thunfisch sind. Der Thunfischfang im Indischen Ozean deckt fast 20 Prozent des weltweiten Bedarfs im Wert von jährlich über 6,5 Milliarden USD.
Handlungsbedarf besteht bei den Mitgliedsländern der einschlägigen regionalen Fischereiorganisationen, um die Regulierungslücken zu schließen. Zudem auch bei China, als Flaggenstaat vieler der identifizierten Schiffe, die in den unregulierten Gebieten fischen, sowie bei wichtigen Marktstaaten wie Deutschland und anderen EU Ländern, die sicherstellen müssen, dass die Einfuhr von Tintenfischen und anderen Arten nicht zum Zusammenbruch der Bestände beiträgt.
In den Hochseegebieten des Indischen Ozeans gibt es für Arten wie Seevögel, Schildkröten, Delfine, Wale, Haie, Rochen und Krustentiere keine Bewirtschaftungsmaßnahmen, so dass ihre Fänge (ob absichtlich oder versehentlich) in einem rechtlichen Vakuum verbleiben. Auch in Gebieten, in denen ein Fischereimanagement besteht, gibt es für die meisten Meerestiere keine oder nur begrenzte schützende Managementmaßnahmen.
Besonders unvollständig ist der Bewirtschaftungsrahmen für die meisten Hai-Arten auf Hoher See im Indischen Ozean. Obwohl 105 Hai-Arten auf der Roten Liste der IUCN als gefährdet oder kritisch bedroht gelistet sind (gegenüber 68 Arten im Jahr 2014) und Beweise dafür vorliegen, dass der Rückgang der Haie auf den Thunfischfang zurückzuführen ist, sind die Haie im Indischen Ozean aufgrund des Fehlens von Vorschriften für die Datenerfassung und Erhaltungsmaßnahmen von jeglichem Regelungsrahmen zur Überwachung und zum Schutz ihrer Populationen ausgeschlossen. Im Jahr 2017 wurden nur 62 Prozent der weltweit gemeldeten Haifänge erfasst. Dies fand zudem nur nach taxonomischer Gruppierung statt, was nicht spezifisch genug ist, um die Auswirkungen auf Artebene zu bestimmen.
Um wirksam gegen die unregulierte Fischerei vorzugehen, müssen die politischen Entscheidungsträger mutige und ehrgeizige Ansätze für das Fischereimanagement auf Hoher See im Indischen Ozean verfolgen. WWF und TMT drängen auf die Annahme eines ökosystembasierten Ansatzes innerhalb eines besser koordinierten institutionellen und regulatorischen Umfelds in allen regionalen Fischereiorganisationen, sowohl im Indischen Ozean als auch darüber hinaus. Außerdem haben in dieser regulatorischen Lücke die Hauptmarktstaaten wie die EU eine "Fürsorgepflicht", um sicherzustellen, dass unser Konsum die Ernährungssicherheit der schwächsten Bevölkerungsgruppen nicht beeinträchtigt. Die EU muss mit gutem Beispiel vorangehen und darauf drängen, dass Fischereimanagement-Organisationen härtere und strengere Gesetze erlassen.