Europäische Marktanalyse: Fast die Hälfte der Grillkohle enthält Tropenholz/ Strenge Kontrollen gefordert

Mit Herbstgrillen gegen den Corona-Blues ankämpfen? Dabei ist vermutlich den wenigsten Verbrauchern bewusst, dass sie damit zu massiver Regenwaldzerstörung beitragen könnten. Bei einer aktuellen Untersuchung von WWF und dem Von Thünen-Institut kam heraus, dass von 150 getesteten Grillkohleprodukten aus elf europäischen Ländern 67 Holz aus subtropischen und tropischen Regionen enthielten, was einem Anteil von 46% entspricht. Nur bezogen auf die neun teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten sind es sogar 54%. Besonders dramatisch sind dabei die Ergebnisse für Belgien mit einem 91% Anteil von Tropenholz in den getesteten Produkten, Polen mit 70%, Spanien mit 66% und Italien mit 65%. Die Studie wurde vorab als wissenschaftliche Publikation (Haagt et al. 2020) im „IAWA Journal“ (International Association of Wood Anatomists) und in „Nature“ veröffentlicht. Der WWF kritisiert massive Gesetzeslücken, die den Import von Grillkohle aus Hochrisikoländern zulassen, die für illegale Rodungen und Raubbau bekannt sind.

„Unser Marktcheck bestätigt abermals, dass die Produktion von Grillkohle systematisch mit illegalem Handel und Raubbau verbunden ist – und viele Verbraucher ahnungslos bei der Zerstörung tropischer Wälder „mithelfen“. Mit einem Anteil von bis zu 30 % trägt der illegale Holzhandel erheblich zur Entwaldung weltweit und damit zu einem beschleunigten Klimawandel und Artensterben bei“, sagt Holzexperte Johannes Zahnen vom WWF Deutschland. „Oft ist der illegale Holzhandel in der Hand organisierter Kriminalität und sogar terroristische Gruppen wie Al-Shabaab finanzieren sich aus dem illegalen Grillkohlehandel.“

Falsche Angaben auf den Verpackungen führen zu Verbrauchertäuschung. Damit einhergehend steigt die Wahrscheinlichkeit illegaler Herkünfte: Bei gut einem Viertel aller Proben wurde die Holzart auf der Verpackung genannt – die Hälfte der Angaben war jedoch falsch oder unvollständig. Bezogen auf die EU-Länder ergab sich das gleiche Bild: Auf 20% der Verpackungen war die Holzart deklariert, aber bei fast der Hälfte falsch oder unvollständig. Damit haben Konsumenten bei 90% der getesteten Produkte gar keine Möglichkeit, sich gegen Raubbau zu entscheiden.

In Deutschland und der Schweiz, wo bereits regelmäßig Marktchecks stattgefunden haben, sind im Verhältnis zu den Vorjahren leichte Verbesserungen in Bezug auf Deklaration der Holzart und Herkunft festzustellen. Doch der WWF befürchtet, dass die Hersteller aufgrund des öffentlichen Drucks kritische Ware in andere EU-Länder verschoben haben. So zeigt die aktuelle Marktanalyse, dass in Polen 7 von 10 Produkten auf Holz aus subtropischen und tropischen Regionen basieren – obwohl das Land Grillkohle in relevanten Mengen produziert. Immerhin 37% der deutschen Grillkohle stammt aus Polen. Und beispielsweise verkauft die polnische Firma Dancoal jetzt in Polen und der Tschechischen Republik je drei Tropenholz-Produkte und in Dänemark zwei. In Deutschland wurde die Tropenholzgrillkohle der Firma nicht mehr gefunden, nachdem sie im Nachgang des früheren WWF-Marktchecks 2018 ihr FSC-Zertifikat verloren hatte.

In der Studie wurden 23 in Deutschland gekaufte Produkte getestet, von denen der WWF nur wenige uneingeschränkt empfehlen kann, wie z.B. ein Naturland-zertifiziertes Produkt mit vorbildlicher und korrekter Holzartendeklaration. Dennoch schneidet Deutschland im europäischen Vergleich besser ab: 15 Produkte sind FSC-zertifiziert, 6 Produkte enthielten Tropenholz, aber vier davon mit korrekten Angaben gemäß FSC-Zertifikat. Die Angabe „Buchenholz“ war bei allen deutschen Produkten nicht oder nur teilweise zutreffend.

Es geht dem WWF jedoch nicht um Tropenholz „ja oder nein“, sondern darum, Ware aus Risikoländern für Raubbau und Illegalität auszuschließen. „Auch Holz aus der Ukraine landet oft auf den deutschen Grills. Dafür werden direkt vor unserer Haustür die letzten Urwälder abgeholzt. Ohne strenge Kontrollen und spürbare Strafen bekommt die Branche das Problem offensichtlich nicht in den Griff,“ so Johannes Zahnen. Er sieht die Politik in der Pflicht, dass alle Holz- und Papierprodukte von der Europäischen Holzhandelsverordnung (EUTR), die seit 2013 in Kraft ist, erfasst und dann auch kontrolliert werden. Grillkohle ist davon wie eine Reihe anderer Produkte unverständlicherweise bisher ausgenommen. Verbrauchern empfiehlt er neben dem Naturland-Siegel das FSC-Siegel als erste Orientierung. Das biete zwar keine endgültige Sicherheit, aber eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Holzkohle aus verantwortungsbewusster Waldwirtschaft stammt.

Für die Marktanalyse wurde eine Stichprobe von 150 Säcken mit Holzkohle und Holzkohlebriketts untersucht, die zwischen Oktober 2019 und April 2020 in elf europäischen Ländern erworben wurden (Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Spanien, Tschechische Republik sowie Schweiz und Ukraine). Eingekauft wurde im Einzelhandel, in Baumärkten, an Tankstellen oder anderen typischen Orten, an denen Grillkohle angeboten wird. Aus jeder Packung wurden mindestens 30 Holzfragmente mikroskopisch untersucht, um die Zusammensetzung der darin enthaltenen Holzarten zu bestimmen.

Literatur: Haag V, Zemke V, Lewandrowski TL, Zahnen J, Hirschberger P, Bick U, Koch G (2020) The European charcoal trade. IAWA J:in Press, DOI:10.1163/22941932-bja10017

Kontakt

Sylvia Ratzlaff

Pressesprecherin, Berlin