Heute haben sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, zur Lage der Natur in Deutschland geäußert. Demnach sind nur noch 25 Prozent der Arten und 30 Prozent der Lebensraumtypen intakt. Dazu Dr. Diana Pretzell, Leiterin Biodiversität in Deutschland beim WWF:
„Der Lagebericht aus dem Bundesumweltministerium unterstreicht: Der Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland kann nicht länger warten. Klima-, Gewässer und Bodenschutz sind systemrelevant. Die Covid-19-Pandemie und der Dürrestress für Felder und Wälder zeigen dieser Tage einmal mehr, wie stark die Wechselwirkungen zwischen unserem Handeln und der Natur sind. Wie wir wirtschaften und leben, macht den Unterschied.
Für Deutschland und die EU steht eine Woche der Wahrheit an: Beim Insektenschutz liegt zwar ein Aktionsplan auf dem Tisch, jedoch noch längst kein Gesetzesentwurf. Aber das Insektensterben vor unserer Tür wartet nicht. Wir müssen raus aus dem Verhandlungsmodus und rein in die Maßnahmen auf Wiesen und Äckern. Wir müssen die gesetzlichen Regelungen so anpassen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich reduziert wird. Es muss endlich ein Verbot von Totalherbiziden in Schutzgebieten her. Dabei dürfen die wirtschaftlichen Folgen für die Landwirte nicht aus dem Blick geraten. Mehr Naturschutz darf nicht auf Kosten der Landwirte gehen und muss in den betrieblichen Alltag passen. Dazu will der WWF beitragen und erprobt genau das gemeinsam mit Landwirten und Wissenschaftlern in fünf Modelllandschaften für mehr Insektenschutz in landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften.
Die Bundesrepublik ist einer von acht EU-Mitgliedstaaten mit den größten Problemen mit Nährstoff- und Pestizideinträgen aus der Landwirtschaft in die Gewässer. Das zeigt der nach wie vor harte Kampf um die Umsetzung der Düngeverordnung. Die Haltung von Nutztieren muss daher stärker an die regional zur Verfügung stehende Fläche gebunden werden. Schrumpfen müssen die Nutztierbestände da, wo zu viele Tiere im Stall stehen und das Grundwasser belasten, also in viehstarken Regionen.
Voraussichtlich Mittwoch wird die EU-Kommission die „EU-Biodiversitätsstrategie 2030“ sowie der „Farm to Fork-Strategie“ vorstellen. Sie sind Kernelemente des „European Green Deal“ und müssen einen ambitionierten Rahmen für die künftige Biodiversitäts- und Ernährungspolitik der EU setzen. Viel hängt davon ab, dass diese Strategien mit ehrgeizigen und durchsetzbaren Zielen ausgestattet sind. Um den Verlust der biologischen Vielfalt endlich aufzuhalten und umzukehren, braucht es eine naturverträgliche, resilientere Landwirtschaft, angemessene Maßnahmen zum Fischereimanagement und neue Gesetzesmaßnahmen zur Renaturierung in Europa. Die Bundesregierung ist gerade hier in besonderer Verantwortung, denn ab Juli übernimmt sie die EU-Ratspräsidentschaft und hat damit die Möglichkeit, die Umsetzung ambitioniert und mit Nachdruck voranzutreiben.“