Die EU-Kommission skizziert einen Neuanfang für nachhaltige Ernährung und biologische Vielfalt

Die EU-Kommission hat heute die Biodiversitätsstrategie und die „Farm to Fork“-Strategie in Brüssel vorgestellt.  Als Teile des Green Deals sollen sie die biologische Vielfalt und nachhaltige Lebensmittelproduktion in der EU voranbringen. Der WWF begrüßt, dass beide Strategien das Potenzial für bemerkenswerte Fortschritte hinsichtlich eines verbindlicheren Schutzes der biologischen Vielfalt beinhalten, auch bei der landwirtschaftlichen Produktion. Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland kommentiert: „Mit dem Green Deal versprach Ursula von der Leyen einen „Man on the Moon Moment“, jetzt legt sie nach: Die Strategien sind ein Aufbruch in eine vielversprechende Zeit. Allerdings müssen die Strategien nun auch durchgesetzt werden und dürfen nicht vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verwässert werden. Wir können uns nicht noch einmal leisten, in 10 Jahren wieder bedauernd festzustellen, dass die Ziele nicht erreicht wurden. Im erwarteten EU Konjunkturprogram müssen sich die beiden Strategien als Rahmenbedingungen widerspiegeln!“

Biodiversitätsstrategie:

Der WWF begrüßt die Ankündigung verbindlicher EU-Ziele zur Wiederherstellung von zerstörten Ökosystemen bis 2021. “Das ist ein großer Schritt, da das Prinzip der Freiwilligkeit in der Vergangenheit spektakulär gescheitert ist. Neben der Artenvielfalt leistet die Wiederherstellung von zerstörten Ökosystemen auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und damit für die Gesellschaft: Moore, Wälder und Küstenökosysteme zum Beispiel sind wichtige Kohlenstoffsenken“, betont Heinrich. Die Biodiversitätsstrategie sieht zudem vor, dass bis 2030 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresfläche geschützt werden. „Das ist ein wichtiges Zeichen. Umweltministerin Schulze sollte dies nun ohne Wenn und Aber unterstützen und zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten in den aktuellen Verhandlungen zu Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) vertreten“ fordert Christoph Heinrich.

Auch bestehende Richtlinien erhalten durch die Biodiversitätsstrategie Rückenwind: Wasserrahmenrichtlinie, FFH-Richtlinie und Meeresschutzrahmenrichtlinie sollen stärker durchgesetzt werden. „Das gibt Hoffnung für die Überwindung der bisher trägen Umsetzung.“ so Heinrich.  Der WWF begrüßt auch die Pläne der Kommission bis 2021 einen neuen Aktionsplan zum Schutz mariner Ökosysteme und Fischbestände umzusetzen. Entscheidend ist jedoch, dass klare, verbindliche Ziele und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Meeresökosysteme festgelegt werden.

Der WWF begrüßt ausdrücklich die Ankündigung der Kommission für einen Gesetzesentwurf bis 2021, der verhindern soll, dass Produkte die in Zusammenhang mit Entwaldung stehen zukünftig auf den europäischen Markt gelangen.

Hinsichtlich der Finanzierung der Strategie gibt es noch Nachholbedarf.  Die genannten 20 Milliarden Euro zur Umsetzung und 25 Prozent des EU-Budgets für Klima und Biodiversität sind aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Relevanz und globalen Herausforderungen von Klima- und Biodiversitätskrise nicht ausreichend. Der WWF fordert insgesamt 50 Prozent des EU-Budgets.

Eine große Lücke im Text ist nach Heinrichs Ansicht die fehlende Verpflichtung zum Abbau biodiversitätsschädlicher Subventionen, die nur im internationalen Kontext erwähnt wird. Die Strategie werde der Prämisse des Green Deal von “do no harm” somit bisher noch nicht gerecht.

„Farm to Fork“-Strategie

Der heutige Weltbienentag könnte als Veröffentlichungstermin für die „Farm to Fork“-Strategie nicht besser gewählt sein. Sie verspricht eine Trendwende in der Agrarpolitik. Heinrich kommentiert:   

„Es bietet sich nun die Chance, in der Agrarpolitik endlich umzusteuern: mehr Arten-, Tier- und Klimaschutz in der Landwirtschaft, mehr Transparenz für den Verbraucher, fairere Bedingungen für Landwirte. Der neue, ganzheitliche Ansatz vom Hof bis auf den Teller ist zu begrüßen. Der Lackmustest für die Durchschlagskraft der „Farm to Fork“-Strategie wird die laufende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Statt wie bisher nach Betriebsgröße zu subventionieren, müssen in Zukunft Umweltleistungen honoriert werden. Die Schlüsselrolle der Landwirte bei der Etablierung einer nachhaltigen Ernährung wird anerkannt. Um dieser Rolle gerecht werden zu können, müssen die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) besser auf die Ziele der „Farm to Fork“-Strategie einzahlen. Die Reduktion des Einsatzes von Pestiziden um 50 %, die Reduktion von Düngemitteln um 20 %, die Reduktion von verkauften Antibiotika um 50 %, die Verringerung der tierischen Produktion und des Fleischkonsums und die Ausweitung des Ökolandbaus auf 25 % der landwirtschaftlichen Fläche in der EU sind ambitionierte Ziele, die wir unterstützen. Mit dem Vorhaben, eine harmonisierte und verpflichtende Nährwertkennzeichnung einzuführen, die auch ökologische und soziale Auswirkungen der Lebensmittel mit einbezieht, leistet die Kommission einen wichtigen Beitrag zum gesundheitlichen Verbraucherschutz und zur Verbraucherinformation über Nachhaltigkeitsaspekte.

Erfreulich ist auch, dass die Kommission die Notwendigkeit anerkennt, bestehende Implementierungslücken bei der derzeit gültigen Gemeinsamen Fischereipolitik und dem Wiederaufbau der Fischbestände zu schließen.“

Fazit

Die nächste Herausforderung für von der Leyen ist es die neuen Spielregeln in die Praxis umzusetzen.  Um die entsprechenden Entscheidungen zu treffen, sind zunächst das EU-Parlament und die EU-Ministerräte für Umwelt und Landwirtschaft am Zug. Sie müssen die Strategien unterstützen, um widerstandfähige Ökosysteme und auch damit widerstandsfähige Volkswirtschaften aufzubauen.

Kontakt

Rebecca Gerigk

WWF Pressestelle