Bei der Debatte um Wasserstoff als Energieträger der Zukunft werden Grundvoraussetzungen wie der Ausbau erneuerbarer Energien und sozial-ökologische Aspekte der Wasserstoff-Herstellung nicht ausreichend berücksichtigt. Das bemängelt der WWF Deutschland anlässlich der heute verabschiedeten Wasserstoffstrategie der Bundesregierung. „Um die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und das Ziel der EU-Kommission, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden, zu erreichen, führt kein Weg an CO2-freien Energieträgern vorbei. Wasserstoff wird dabei insbesondere für die Industrie eine zentrale Rolle spielen, ein klimafreundliches Allheilmittel ist er aber nicht.“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland.
In der Debatte um Wasserstoff stehen derzeit vor allem die Kosten, die Markteinführung und die zusätzliche Förderung durch das Konjunkturpaket der Bundesregierung im Fokus. Eine vorteilhafte Nachhaltigkeitswirkung wird dabei als gesetzt angesehen. Damit Wasserstoff einen positiven Beitrag zu Klimaschutz leistet, sind jedoch die Rahmenbedingungen entsprechend klar zu setzen. Je nachdem wie er produziert wird, kann Wasserstoff sogar klimaschädlicher sein als Benzin oder Diesel aus fossilem Erdöl. Wichtigste Voraussetzung ist es deshalb, dass Wasserstoff durch Elektrolyse mit zusätzlichem Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien hergestellt wird. Die dadurch zusätzlich benötigten regenerativen Strommengen und der entsprechende Flächenbedarf zur Erzeugung sind jedoch in den aktuellen Erneuerbaren-Ausbauzielen nicht berücksichtigt.
„Importe von grünem Wasserstoff aus erneuerbarer Erzeugung dürfen immer nur zusätzlich zu den inländischen Energiewende-Anstrengungen erfolgen. Sie sind kein Ersatz für die Notwendigkeit, in Deutschland den Ausbau der Erneuerbaren massiv voranzutreiben. Keinesfalls darf die Wasserstoff-Produktion in Herkunfts- oder potentiellen Exportländern die dortige Energiewende verlangsamen. Die Bundesregierung muss den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa endlich entschieden vorantreiben. Wer so tut, als könne man den einheimischen Erneuerbaren-Ausbau durch Wasserstoffimporte ersetzen, stellt die falschen Weichen und gefährdet die Energiewende”, kommentiert Heinrich.
„Da für die Produktion von Wasserstoff viel Energie nötig ist, muss dessen Einsatz auf Anwendungen begrenzt werden, bei denen eine direkte Elektrifizierung nicht oder nur schwer umsetzbar sind“, sagt der Experte. „Anders als häufig proklamiert, ist Wasserstoff kein Freifahrtschein für den Verkehrssektor. Viel effizienter ist die Anwendung von Wasserstoff im Industriesektor, dort ist er die Grundvoraussetzung für eine klimaneutrale Herstellung von Stahl und chemischen Grundstoffen.“ Im Verkehrssektor wird Wasserstoff als Basis für die Herstellung kohlenstoffhaltiger synthetischer Kraftstoffe nur dort eine Rolle spielen, wo eine deutlich effizientere direkte Elektrifizierung bisher nicht möglich ist. Beispiele sind etwa der Flugverkehr oder Teile des Schiffsverkehres. Ähnliches gilt für den Wärmesektor. Mit Wärmedämmung und Wärmepumpen stehen hier effizientere und wirksamere Klimaschutz-Technologien zur Verfügung als Wasserstoff und dessen Folgeprodukte.
Schlussendlich darf im Zuge der Debatte um Wasserstoff nicht außer Acht gelassen werden, dass die drastische Reduktion unserer Ressourcen- und Energieverbräuche weiterhin absolute Priorität haben muss. Andernfalls sind die Energiebedarfe schlichtweg zu hoch, um auf Grundlage ökologisch nachhaltiger erneuerbarer Energien erfüllt werden zu können.