Naturschutzverbände in Schleswig-Holstein: Wildgänse sind wichtiger Teil unseres Naturerbes

Kiel, 16.12.2020. Seit längerer Zeit haben sich die Zahlen der Wildgänse in Schleswig-Holstein wieder erholt. Das wiederum bringt Konflikte mit der Landwirtschaft mit sich, auf deren Flächen sich die Gänse häufig aufhalten und fressen. Die Naturschutzverbände fordern, diese Problematik nicht durch Bestandsreduzierungen zu lösen, sondern gemeinsam mit allen Akteuren ein effektives Management der Gänse im Einklang mit gesetzlichen Schutzbestimmungen zu entwickeln und Schäden auszugleichen.

Noch in den 1950er Jahren ging es dem Seevogel des Jahres 2021, der Weißwangengans (= Nonnengans) schlecht. Der Bestand war durch Verfolgung sehr klein geworden. Das Gleiche galt für die Ringelgans. Aufgrund des Schutzes entlang großer Teile des Zugweges haben sich ihre Bestände und die einiger anderer Wildgans-Arten in Schleswig-Holstein, wie auch auf dem gesamten Zugweg, wieder erholt. Seit längerem allerdings stagniert der Gesamtbestand der Ringelgans und seit einigen Jahren scheint auch die Zahl der Nonnengänse nicht mehr zuzunehmen. Die aktuelle Vogelgrippe dezimiert zudem den Bestand, so waren rund 60% der Totfunde an der Westküste Schleswig-Holsteins Nonnengänse.

Da sich Gänse gerne von den Pflanzen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten ernähren, entstehen bei hohen Gänsevorkommen Konflikte mit der Landwirtschaft. Nach Ansicht der schleswig-holsteinischen Naturschutzverbände, des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), des NABU (Naturschutzbund Deutschland), des WWF Deutschland sowie des LNV (Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein) können diese Konflikte nur gemeinsam zwischen den Landwirten, der Landesregierung und den Naturschutzverbänden gelöst werden. Nach Ansicht der Naturschutzverbände wäre hierbei eine Reduzierung beispielsweise des Nonnengansbestandes durch Jagd keine Lösung. Dies wäre nicht praktikabel und auch gar nicht zulässig, da die Art nach europäischem Recht streng geschützt ist (Ausnahme: genehmigte Vergrämungsabschüsse). Vielmehr gehören Wildgänse zum gemeinsamen Naturerbe Europas. Zu einem wirksamen Lösungskonzept im Sinne von Landwirtschaft und Naturschutz gehört aus Sicht der Naturschutzverbände allem voran die Einrichtung von ausreichend großen Duldungsflächen für Gänse. Auf diesen müssen die Landwirte für ihre Einkommensverluste entschädigt werden. Weitere Bausteine sind die Erhaltung und großflächige Wiederherstellung von auch für Wiesenbrutvögel wichtigen Extensiv-Grünländern, eine Vergrämung der Gänse aus Gebieten außerhalb der Duldungsflächen, sowie die Entwicklung des Naturtourismus, von dem auch die Landwirte durch Vermietung profitieren könnten. Die gesamte Nordsee- und Ostseeküstenlandschaft sowie die feuchten
Flussniederungen sind dabei einzubeziehen, um Landwirtschaft, Gänseschutz und Wiesenvogelschutz gleichermaßen zu ermöglichen.

Hintergrundinformation

In Schleswig-Holstein zählt die Nordseeküste mit dem Wattenmeer zum zentralen Rastgebiet für Nonnen- und Ringelgänse. Sie ist auch ein wichtiges Brutgebiet für Graugänse. Der Osten des Landes ist ein wichtiges Gebiet vor allem für Graugänse und Blässgänse. Daher sind einige Regionen und Betriebe regional stark durch Gänsevorkommen betroffen. Insbesondere die Westküste in Schleswig-Holstein bietet durch ein großes Nahrungsangebot (Salzwiesen, Grünland, lokal: Getreide) herausragend günstige Bedingungen als Rastgebiet für Wildgänse. So „lohnt“ es sich für die Tiere, möglichst lange dort zu verweilen, um wichtige Energiereserven für den energieaufwändigen Zug ins arktische Brutgebiet anzulegen. Die Gänse profitieren dabei auch von der Intensivierung der Landwirtschaft, die ihnen eiweiß- und energiereiches Futter bietet. Bestands-Rückgänge würden sich in den aus nahrungsökologischen und geografischen Gründen am besten geeigneten Rastgebieten, wie es für Schleswig-Holstein zutrifft, als letztes bemerkbar machen, da Wildgänse an günstigen Rastgebieten länger festhalten als an weniger günstigen. Unter anderem aus diesem Grund würde eine teils geforderte stärkere Bejagung den bestehenden Konflikt mit der Landwirtschaft nicht verringern. Zudem würden die dann beunruhigten Gänse einen erhöhten Energiebedarf durch ständiges Herumfliegen haben und ihn durch mehr Nahrung decken müssen. Eine intensivierte Bejagung würde auch eine großflächige Störung anderer Arten bedeuten und anderen Naturschutzzielen, wie beispielsweise der Sicherung der Aufenthalts- und Brutstätten von Wiesenvögeln, entgegenstehen.

Kontakt

Freya Duncker

Pressesprecherin, Hamburg