Vorläufige Einigung auf Fangmengen 2021 für Nordsee und Nord-Ost-Atlantik / WWF warnt vor Zunahme der Überfischung

Die EU-Fischereiminister:innen haben sich in Abwesenheit eines Fischerei-Abkommens mit dem Vereinigten Königreich auf vorläufige Fangmengen für die Nordsee und den Nordost-Atlantik im nächsten Jahr verständigt. Dafür wurden die Fangmengen für das Gesamtjahr 2020 als Grundlage genommen - 25 Prozent davon dürfen vorläufig von Januar bis März 2021 gefangen werden. Der WWF appelliert an die Staaten, dass nur gemeinschaftlich und langfristig festgelegte und eingehaltene Fangmengen die Überfischung beenden können.

„Fisch als Allgemeingut darf nicht zur Verhandlungsmasse werden. Wir brauchen einen guten Kompromiss mit dem Ziel gesunder Fischbestände, statt sich mit Blick auf kurzfristige Gewinnmaximierung um den letzten Fisch zu streiten“, mahnt Stella Nemecky, Fischereiexpertin beim WWF Deutschland. „Das erklärte Ziel der Verhandlungen war, eine Balance zwischen Umweltschutz und sozioökonomischen Fragen zu finden. Ob das für die Bestände in der Nordsee und dem Nord-Ost-Atlantik gelungen ist, wird sich erst zeigen, wenn die Einschätzung der Kommission im Januar vorliegt und das finale Abkommen ausverhandelt ist.“

Fische wandern und halten sich nicht an territoriale Grenzen oder historische Besitzansprüche. Um Überfischung zu verhindern, müssen diese Bestände ungeachtet ihres momentanen Aufenthaltsortes von allen Fischereistaaten gemeinschaftlich und mit dem erklärten Ziel der Nachhaltigkeit gemanagt werden. Durch die zunehmenden Auswirkungen der Klimakrise ist dies besonders wichtig. Sie mischt die Karten neu, denn durch die Erhitzung der Meere verschieben sich die Fischvorkommen.

Der Hering im Nordostatlantik ist das Paradebeispiel dafür, wie eine Art unter Klimakrise, Überfischung und multilateralen Verhandlungen über Fangmengen leidet. Es ist der größte Bestand und die Fischerei mit dem größten Fangvolumen der EU. Er wandert nach Norden ab, wodurch dort zusätzliche Staaten einen Anspruch auf den Bestand stellen. Die bisherigen fischenden Staaten wollen ihren Anteil aber nicht verkleinern. Das Ergebnis ist, dass zwar jedes Jahr eine absolute Fangmenge festgelegt, über deren Aufteilung aber seit Jahren keine Einigung gefunden wird. Gefischt wird trotzdem. Die Bestandsgröße halbierte sich dadurch in den letzten 10 Jahren und liegt jetzt an der Untergrenze zur nachhaltigen Bewirtschaftung. Als Konsequenz verlor die Fischerei auch ihr Nachhaltigkeitssiegel. Das könnte auch der Fischerei auf den Nordsee-Hering passieren.

Besonders dramatisch sieht es für den Kabeljau in der Nordsee aus. “Wenn keine gemeinschaftliche und nachhaltige Lösung mit dem Vereinigten Königreich gefunden wird, kann das den Zusammenbruch des Bestandes bedeuten. Wir brauchen einen gemeinsamen Rettungsplan”, sagt Stella Nemecky.

Für das Mittelmeer sieht die Lage düster aus. Im am meisten überfischten Meer der Welt werden wissenschaftliche Fangempfehlungen auch weiterhin ignoriert. "Die gesetzliche Verpflichtung, die Überfischung in Europa in diesem Jahr zu beenden, ist verpasst. Dieser Raubbau muss endlich aufhören. Das Mittelmeer kann den Fischern und Fischerinnen nur dann eine Lebensgrundlage bieten, wenn es die Chance bekommt, sich zu erholen. Die Gesundheit des Meeres wurde auch in diesem Jahr den kurzfristigen ökonomischen Interessen geopfert”, so Nemecky.

Kontakt

Freya Duncker

Pressesprecherin, Hamburg