Gipfeltreffen Geisternetze
WWF: „Bergung von Geisternetzen muss staatliche Aufgabe werden“
Werden Geisternetze vor deutschen Küsten künftig regelmäßig von Behörden geborgen? Das ist die Vision des WWF Deutschland, der diese Aufgabe bisher projektweise übernimmt. Seit 2014 befreit die Umweltorganisation die Ostsee von verlorengegangenen Fischernetzen, die weltweit betrachtet zwischen 30 und 50 Prozent des Kunststoffmülls im Meer ausmachen. Sieben Tonnen Geisternetze wurden dabei bisher geborgen. Für den heutigen Montag haben die Umweltschützer Regierungs- und Behördenvertreter aus den Küstenländern Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein , dem Bundesumweltministerium des Umweltbundesamts sowie des Bundesamts für Naturschutz zu einem Spitzentreffen und einer Geisternetze-Bergungsfahrt nach Rügen geladen. Acht Netze sollen in den kommenden Tagen geborgen werden. Der WWF stellt seine im Praxisbetrieb erprobten Methoden zum Aufspüren und Bergen von Geisternetzen sowie Forschungsergebnisse und Anforderungen an Entsorgungssysteme und Recycling vor. Auch Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern, nahm an dem Treffen teil.
„Hauptsächlich durch Spenden finanziert haben wir ein Erfolgsmodell zur Geisternetzbergung bis zur Serienreife erarbeitet und erprobt. Jetzt muss der Schritt in den behördlichen Regelbetrieb erfolgen: die Bergung von Geisternetzen muss zur staatlichen Aufgabe werden. Hier sind wir heute einen entscheidenden Schritt vorangekommen“, sagt Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz des WWF Deutschland. Der WWF regt an, Mittel aus dem Europäischen Fischereifonds oder der Fischereiabgabe zur Finanzierung der Bergung und Entsorgungsstrukturen des Kunststoffmülls aus dem Fischereibetrieb zu nutzen. Es lohne sich auch zu prüfen, inwieweit behördliche Schiffe sich an Bergungsfahrten beteiligen können. „Das heutige Treffen soll ein Auftakt sein, um das bisherige behördliche Vakuum bei der Geisternetzbergung zu schließen. Der politische Wille ist offenbar vorhanden, jetzt suchen wir gemeinsam nach dem politischen Weg, um deutsche Gewässer von Netzmüll zu befreien. Wir freuen uns, dass zwischen den Küsten-Bundesländern und Behörden Einigkeit besteht, dass Problem gemeinsam anzugehen und begrüßen, dass Mecklenburg-Vorpommern vorangehen will und entsprechende Mittel in Aussicht gestellt hat“, so Vesper. Große Teile des Mülls sind Altlasten, die teils seit Jahrzehnten im Wasser liegen, doch allein in der Ostsee gehen pro Jahr 5000 Netze oder Netzteile verloren. Sieben Tonnen Netzmüll hat der WWF im Rahmen seiner Methodentests vor Rügen und Eckernförde geborgen.
„Natürlich hat das Problem seinen Ursprung in der Fischerei, aber wir haben bei unseren Bergungen erlebt, wie Fischer zur Lösung beitragen können und wollen“, verdeutlich Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz des WWF Deutschland. Wenn Fischer Altlasten und Netze bergen, muss dafür jedoch passende Hafeninfrastruktur und ein Entsorgungsweg geschaffen werden. Ideal wäre eine Sammeltour durch die norddeutschen Häfen mit einer zentralen Aufbereitungs- bzw. Verwertungsanlage. Die Aufbereitung von Geisternetzen für die Entsorgung ist aufwändiger als die von ausrangierten Netzen, weil organisches Material und bei Stellnetzen auch giftige Bleileinen entfernt werden müssen. Zum Aufbau von Verwertungsstrukturen ist aus Sicht des WWFs die Zusammenarbeit der drei Küstenländer empfehlenswert.
Hintergrund:
Als Geisternetze werden herrenlose Fischernetze bezeichnet. Sie können weiterfangen und stellen eine Gefahr für Meerestiere dar. Verbleiben sie im Meer, lösen sich langsam winzige Plastikfasern ab und verstärken die Mikroplastik-Belastung der Meere. Denn seit den 1960er Jahren werden Fischernetze nicht mehr aus den leicht vergänglichen Naturstoffen Hanf, Sisal oder Kokosfasern hergestellt, sondern aus synthetischen Stoffen wie Polypropylen, Polyethylen und Nylon (Polyamid). Studien zufolge machen Geisternetze zwischen 30 und 50 Prozent des Meeresplastiks aus. Der Meeresmüll am Grund von Nordsee, Atlantik, Arktis und Mittelmeer insgesamt zu etwa einem Drittel aus Plastik aus der Fischerei, einschließlich Netzen und Tauen.
Rechtslage: Die Entsorgung von Fischereigerät auf See ist verboten (MARPOL-Abkommen). Geht ein Netz verloren sind Fischer zuerst verpflichtet, es selbst zu bergen und ansonsten den Verlust den nationalen Behörden zu melden, die dann für die Bergung zuständig sind (Gemeinsame Fischereipolitik der EU/Fischereikontrollverordnung). Die EU-Richtlinie zu Einwegplastik verlangt, dass die Hersteller mit verantwortlich für die Bergung der Geisternetze gemacht werden.
Bergungsmethode: In den WWF Methodentest war es am effizientesten, den Meeresboden mit einem speziellen Seitensichtsonar großflächig nach Geisternetzen abzusuchen, Verdachtspositionen durch Taucher zu überprüfen, um wertvolle Informationen für die Bergung zu gewinnen und die Fundpositionen anschließend mit Hilfe von Fischerbooten abzubergen.