Rückschlag für den Regenwald
Brasilien: Entwaldung im Amazonas auf Zehn-Jahres-Hoch / WWF warnt vor Wildwest-Zuständen
Berlin: Die Entwaldung im größten Regenwaldgebiet der Erde, dem Amazonas, ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. Das vermeldete das brasilianische Weltrauminstitut INPE am Montag. In den zwölf Monaten zwischen August 2018 und Juli 2019 wurden demnach insgesamt 9.762 Quadratkilometer Wald zerstört. Das entspricht einem Anstieg von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sollte die brasilianische Regierung ihre Haltung nicht ändern, werde die Abholzung weiter steigen und das Land im Umweltschutz um 30 Jahre zurückgeworfen, warnt der WWF.
„Die neuen Zahlen zeigen, dass die Entwaldung im Amazonas völlig außer Kontrolle geraten ist. Das geschieht nicht zufällig, sondern ist direkte Konsequenz der Regierung Bolsonaro, die Schutzgebiete und indigene Territorien de-facto zum Abschuss freigegeben hat. Diese Entwicklung muss im Interesse aller Brasilianerinnen und Brasilianer, aber auch der Menschheit insgesamt, dringend gestoppt werden“, fordert Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland.
Bei der nun gemeldeten Entwaldung handelt es sich um den höchsten Wert seit 2008, als über 12.000 Quadratkilometer Regenwald verlorengingen. Als Reaktion auf die Krise verabschiedete die damalige brasilianische Regierung eine Reihe von Maßnahmen. Dazu gehörte beispielsweise ein Programm zur Bekämpfung der illegalen Abholzung, das maßgeblich zum Rückgang der Entwaldung beitrug. Gleichzeitig wurden an der größten Entwaldungsfront in den Bundesstaaten Amazonas und Mato Grosso neue Schutzgebiete eingerichtet. Vor einigen Jahren habe sich das Blatt jedoch erneut gewendet und unter der aktuellen Regierung die negative Entwicklung stark an Fahrt aufgenommen.
„Mit seiner aggressiven Rhetorik hat Bolsonaro klargemacht, dass ihm die staatlichen Schutzgebiete und indigenen Territorien ein Dorn im Auge sind. Die Botschaft, wonach illegales Holzfällen oder Landgrabbing geduldet werden, ist angekommen. Gleichzeitig hat die Regierung den Ministerien und Behörden, die für die Durchsetzung der Gesetze zum Schutz von Indigenen und Umwelt zuständig sind, die Mittel drastisch zusammengekürzt. In manchen Teilen des Amazonas herrschen heute Wildwest-Zustände“, so Roberto Maldonado.
In die gleiche Richtung ziele das von Großgrundbesitzern und Teilen der Regierung angedachte Ende des Soja-Moratoriums. Dabei handelt es sich um eine Selbstverpflichtung großer Soja-Käufer und -Händler aus dem Jahr 2006, keine Sojabohnen zu kaufen, das auf neu entwaldeten Gebieten im Amazonas angebaut wurde. Die Entwaldung für Soja im brasilianischen Amazonas sank in der Folge um über 98 Prozent. Sollte das Abkommen auslaufen, bedeutet das laut WWF eine zusätzliche Bedrohung für den weltgrößten Regenwald.
Für den Schutz des Amazonas sieht der WWF auch die deutsche Politik und Wirtschaft in der Pflicht. Im derzeit verhandelten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (darunter auch Brasilien) fehle es an verlässlichen Sozial- und Umweltstandards. Ein Abkommen, dass dem Abbrennen von global unverzichtbaren Wäldern und der Zerstörung von indigenen Territorien keinen Riegel vorschiebt, sei nicht akzeptabel. Als größte Wirtschaftsnation der EU habe Deutschland hier eine besondere Verantwortung. Nicht weniger Verantwortung tragen laut WWF deutsche Unternehmen mit Beziehungen nach Brasilien. Nur die wenigsten würden ihre Lieferketten genau kennen und könnten ausschließen, dass für ihre Produkte der Regenwald zerstört wird. Diese Unternehmen müssten ihren Handelspartnern in Brasilien dringend klarmachen, dass sie Rückschritte im Umweltschutz nicht akzeptieren.