Zement zerrt am Klima
Sorgenkind Gebäudesektor: WWF veröffentlicht Analyse zum Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie
Für besseren Klimaschutz in der Baubranche ist ein Wandel in der Beton- und Zementindustrie essentiell. Denn acht Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit gehen auf die Zementherstellung zurück. Eine neue Analyse des WWF Deutschlands zeigt nun, wo die Treibhaugasemissionen entstehen und wie sie reduziert werden können. „Der Gebäudesektor ist ein Sorgenkind des Klimaschutzes: Nicht nur der Betrieb mit Heizen und Kühlen zerrt an Deutschlands Klimabilanz, auch die verwendeten Materialien hinterlassen derzeit noch einen sehr tiefen Klimafußabdruck“, sagt Michael Schäfer, Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.
Laut Klimaschutzplan der Bundesregierung soll die Industrie bis 2030 50 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als 1990 und der Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral sein, wozu auch der Lebenszyklus der Baumaterialien einbezogen werden sollte. Doch: „Von Maßnahmen fehlt jede Spur. Sogar die im Koalitionsvertrag vorgesehene Gebäudekommission, die sich dem Thema annehmen sollte, wurde abgesagt“, kritisiert Schäfer. „Hoffentlich erkennt nun das neu eingesetzte Klimakabinett das Potenzial, das hier liegt.“ Denn mit Änderungen in der Zementherstellung können Industrie und Bauwesen nicht nur klimafreundlicher werden, es entstehen auch Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Der globale Zement- und Betonbedarf wird Schätzungen zufolge aufgrund von Urbanisierung und Infrastrukturprojekten bis 2050 im Vergleich zu 2014 um 12-23 Prozent steigen. Deutschland könnte sich als Vorreiter für eine nachhaltigere Produktion etablieren.
Die Emissionen in der Betonherstellung entstehen zum großen Teil beim Brennvorgang, einmal durch das Bereitstellen der Wärme, aber zum überwiegenden Teil durch die Entsäuerung des Klinkers. Treibhausgase ließen sich zum Beispiel über Substitutionen von Materialien einsparen. Statt Beton kann etwa nachhaltig gewonnenes und produziertes Holz zum Einsatz kommen, wenn es die Gegebenheiten erlauben. Dort, wo Beton unerlässlich ist, kann der Klinkeranteil durch verschiedene Substitutionsmaterialen reduziert werden. Dadurch lassen sich die Treibhausgasemissionen um 30-65 Prozent reduzieren. Eine höhere Effizienz beim Brennvorgang spart weitere Emissionen. Die Abscheidung und Nutzung von CO2 (CCU) für weitere Industrieprozesse könnte unter bestimmten, strengen Voraussetzungen ebenfalls die Klimabilanz verbessern.
Noch stehen einer besseren Klimabilanz in der Zementherstellung allerdings viele praktische Hürden im Weg. Ein großes Manko ist etwa die fehlende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung. Durch eine konsequente Umsetzung entsprechender Kriterien bei Hoch- und Tiefbauprojekten könnte ein Leitmarkt für CO2-armes Zement und Beton entstehen. Damit würde die Nachfrage nach solchen Produkten erhöht. Weitere Hürden sind baurechtliche Hemmnisse, sowie fehlende finanzielle Anreize: „Unter dem europäischen Emissionshandel werden der Zementindustrie kostenlos Zertifikate zugeteilt. Statt zu sinken, sind die Emissionen seit der Einführung des Emissionshandels in der Zementindustrie so sogar noch gestiegen“, kritisiert Schäfer. „Wir brauchen dringend eine weitere Reform des Emissionshandels. Die propagierte Gefahr einer Abwanderung dieser Industrie besteht real nicht, dem stehen die aus Kostengründen möglichst kurz gehaltenen Transportwege bei Zement und Beton im Weg.“
„Die Zementindustrie kann einen wichtigen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz leisten und über die dafür nötigen Innovationen auch wirtschaftliche Chancen nutzen und ausbauen. Die Ideen dafür liegen auf dem Tisch: Jetzt ist es Zeit, etwas aus ihnen zu machen“, so Schäfer.