Die große Plastikpleite
Neuer WWF-Bericht zu Plastikmüll: Globale UN-Konvention gegen die Plastikflut ist überfällig
Die Hälfte des weltweit exportierten Plastikmülls kommt aus Deutschland und den übrigen G7-Staaten. Insgesamt exportiert Deutschland über zehn Prozent seines Plastikmülls. Das zeigt der neue WWF-Bericht „Solving Plastic Pollution Through Accountability“. 2016 kamen so rund 6,5 Millionen Tonnen Plastikmüll aus der Gruppe der sieben reichsten Industrieländer zusammen. Die Reise dieses Plastikmülls endete hauptsächlich in südostasiatischen Ländern mit schlechtem oder keinem Abfallmanagement-system, die Hauptquelle für den Plastikmüll in den Ozeanen sind. Die weltweiten Exportströme sind ein Beispiel dafür, dass nur eine globale Lösung helfen kann, das Problem in den Griff zu bekommen. Die Naturschutzorganisation fordert daher eine internationale UN-Konvention.
„Wir befinden uns an einem Scheideweg: Entweder es werden jetzt wirksame Maßnahmen gegen die Plastikflut beschlossen und umgesetzt, oder wir verwandeln vor allem unsere Ozeane in eine einzig große Müllhalde“, sagt Dr. Bernhard Bauske, Projektkoordinator Meeresmüll beim WWF Deutschland. „Deutschland als einer der größten Produzenten und Exporteure von Plastikmüll steht in der Verantwortung, sich für eine globale Konvention gegen den Eintrag von Plastikmüll in die Meere einzusetzen. Auf der anstehenden UN-Umweltkonferenz in Nairobi besteht die große Chance, dafür den Startschuss zu geben.“
Der WWF fordert von den UN-Staaten, sich auf einen Stopp der weltweiten Einträge von Plastikmüll einschließlich Mikroplastik bis 2030 festzulegen. Dafür braucht es auf nationaler Ebene rechtverbindliche Ziele und Aktionspläne zu deren Umsetzung. Finanziell schwächere Staaten sollten über einen Finanzierungsmechanismus sowie Wissens- und Technologie-transfer in die Lage versetzt werden, Plastikmüll besser zu vermeiden, zu sammeln und zu recyceln. „Wenn weiter nichts geschieht, wird sich die Menge des jetzt bereits in die Ozeane eingetragenen Plastikmülls in den nächsten 15 Jahren verdoppeln“, so Bauske.
Die aktuelle Situation ist absurd: Es ist um ein Vielfaches billiger, neues Plastik in den Markt zu bringen, als altes zu recyceln. Die Preise für die Neuproduktion sind in den vergangenen zehn Jahren um die Hälfte gesunken. Das liegt zum Beispiel am Preisverfall für Öl und Gas durch US-amerikanisches Fracking und dadurch, dass die Hersteller nicht für die enormen CO2-Emissionen zahlen müssen, die in der Produktion entstehen. Recycling dagegen kostet in Europa pro Tonne Plastikmüll 924 Euro, verkaufen lässt sich diese Tonne aber nur für 540 Euro, was die Wiederverwertung unwirtschaftlich macht.
Die wahren Kosten von Plastik und seinen Folgen spiegeln die Preise aber nicht wider: „Plastikmüll verursacht große wirtschaftliche Einbußen, allein der Fischindustrie in der EU entstehen durch den Müll Kosten in Höhe von rund 62 Millionen pro Jahr. Dazu kommen die verheerenden Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt, die immer dann besonders deutlich werden, wenn wir wieder einmal einen Wal an der Küste vorfinden, dessen Bauch voller Plastik steckt.“ Und auch die Gesundheit von uns Menschen ist durch die Verschmutzung von Boden, Wasser und Luft massiv von der Plastikflut bedroht.
Seit 2000 wurde so viel Plastik neu in Umlauf gebracht wie in den gesamten 50 Jahren zuvor. Aber nur 20 Prozent des Plastikmülls werden zum Recycling gesammelt, davon kann nur die Hälfte letztlich wiederverwertet werden, unter anderem weil es das oft komplexe Produktdesign nicht zulässt. „Um die Plastikflut zu stoppen, können und müssen wir auf allen Ebenen ansetzen: bei der Preispolitik, die die wahren Kosten von Plastik einbeziehen muss; bei den Herstellern, die für den gesamten Lebensweg des Plastiks Verantwortung tragen sollten und bei den Verbrauchern, die ihr Konsumverhalten deutlich umstellen müssen“, sagt Bauske.
„Dafür müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen: Ein reiches Land wie Deutschland darf nicht länger zu den größten Verpackungsmüllproduzenten zählen und es dann nicht einmal schaffen, ausreichend recyceltes Plastik im eigenen Land einzusetzen. Dieser Plastikkrise auch vor der eigenen Haustür sollte sich die Bundesregierung auf der UN-Konferenz in Nairobi ganz bewusst sein: Sie sollte sich mit aller Macht für ein internationales Abkommen einsetzen, das vor allem die Plastikvermüllung der Meere beendet.“
Hintergrund:
2016 hat jeder Mensch Plastikmüll im Umfang von 2200 Plastikflaschen produziert. Um diese ungeheure Plastikflut einzudämmen, hat der WWF im Vorfeld der UN-Umweltkonferenz vom 11.-15. März in Nairobi eine weltweite Petition gestartet, siehe <link stop-plastic>www.wwf.de/stop-plastic/ Der nun veröffentlichte Report „Solving Plastic Pollution Through Accountability“, der in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Dalberg entstanden ist, verdeutlicht den enormen Handlungsdruck.