Kahlschlag gegen Nachhaltigkeit

Studie: FSC-Siegel hat in Nordwestrussland keine positiven ökologischen Effekte auf die Waldbewirtschaftung

Russischer Wald © Hartmut Jungius / WWF
Russischer Wald © Hartmut Jungius / WWF

Berlin/Eberswalde: Das Siegel des „Forest Stewardship Council“ (FSC) gilt unter Umweltorganisationen als das anspruchsvollste internationale Zertifikat für eine verantwortungsvollere Waldbewirtschaftung. Dass ein positiver ökologischer Effekt nicht überall gegeben ist, zeigt nun eine vom WWF in Auftrag gegebene Studie zur Situation in Russland: Bei den im Nordwesten des Landes untersuchten Flächen konnte kein wesentlicher Unterschied zwischen FSC-zertifizierten Wäldern und solchen ohne Zertifikat festgestellt werden. „In den untersuchten Wäldern haben wir es unabhängig von der Zertifizierung mit großflächigen Kahlschlägen zu tun, von denen sich die Natur nur schwer erholt. Das ist ein besorgniserregender Befund“, kritisiert Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland.

 

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es in Russland durch das FSC-Siegel keine wirkliche Veränderung hin zu einer ökologisch verantwortungsvolleren Waldbewirtschaftung gibt. Kahlschläge von bis zu 50 Hektar (etwa 70 Fußballfelder) nehmen den Rückgang der ökologischen Funktionalität der Wälder, etwa als Klimaschützer oder Lebensraum für Tiere und Pflanzen, in Kauf. „Im Zuge der FSC-Zertifizierung werden in Russland Urwald-Schutzgebiete eingerichtet. Das ist zweifelsfrei ein positiver Effekt. Die Studie zeigt jedoch, dass der russische FSC-Standard wichtige Kriterien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ignoriert. Das muss sich zügig ändern, sonst droht das Zertifikat seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Der FSC muss die derzeit laufende Überarbeitung des russischen Standards dringend nutzen, um eine Abkehr vom massiven Kahlschlag durchzusetzen“, so Susanne Winter weiter.

 

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine der ersten Studien, die im borealen Wald systematisch versucht, FSC-zertifizierte und nicht-zertifizierte Holzernteflächen zu vergleichen. Verantwortlich war das Centre for Econics and Ecosystem Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Darüber hinaus waren der WWF als Auftraggeber, die Nördliche Arktische Föderale Universität in Archangelsk, die Staatliche Universität Petrozavodsk (jeweils in Russland), die Nicolaus-Kopernikus-Universität in Torun (Polen) sowie das Writtle University College (Großbritannien) beteiligt.

 

„Wir haben Kahlschläge zweier repräsentativer Unternehmen, die jeweils mit beziehungsweise ohne FSC-Zertifizierung bewirtschaftet wurden, sowie einen Urwald detailliert untersucht und eine Vielzahl von ökologischen Indikatoren erfasst“, berichtet Jeanette Blumröder, Wissenschaftlerin der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, die die Feldarbeit und die Analyse angeführt hat. „Es gibt keine wesentlichen ökologischen Unterschiede, weil auch unter dem FSC-Siegel quasi sämtliche Holzbiomasse auf den Kahlschlägen geerntet und abtransportiert wird“. Auch Anzahl und Größe der Kahlschläge würden unter der Zertifizierung nicht verändert. Besonders kritisch zu sehen seien die Folgen für das Mikroklima der Wälder. Die großen Kahlschläge erwärmten sich im Sommer sehr stark. Gerade in Zeiten von zunehmenden Hitze- und Dürreperioden werde das Ökosystem durch die großräumigen Kahlschläge stark beeinträchtigt.

 

Der Eberswalder Naturschutz-Professor Pierre Ibisch sagt als Verantwortlicher der Studie: „Die FSC-zertifizierten Flächen haben sich in Russland rasch ausgebreitet. Der Grund besteht darin, dass die Firmen Zugang zum europäischen Markt erreichen wollen. Die Verbraucher in Europa kaufen das Holz mit dem FSC-Siegel und glauben, sie würden den russischen Wäldern damit etwas Gutes tun. Das können wir mit unserer Fallstudie leider nicht bestätigen. Ich halte es für unverantwortlich, dass die Zerstörung der letzten großen Urwälder Russlands unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit voranschreitet“.

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WWF Presse-Team